Pfade der Sehnsucht: Roman (German Edition)
Siegel, das Quinton hatte, gab es nichts, was ihre Mühen belegen könnte. Und jenes Siegel hatte sie kaum richtig angesehen, lediglich festgestellt, dass es aus Chalzedon war und assyrisch schien …
Gütiger Gott! Sie schoss kerzengerade im Bett nach oben. Wie konnte sie so unsagbar dumm sein?
Gabriella warf die Decken beiseite, sprang aus dem Bett und lief zu Nathanials Zimmer. Glücklicherweise ermahnte sie sich rechtzeitig, leise anzuklopfen, denn den ganzen Haushalt aufzuwecken, wäre äußerst ungeschickt. Vorsichtig drehte sie den Knauf und grinste. Der Mann verriegelte seine Tür nicht. Sie schlich hinein und schloss lautlos die Tür hinter sich.
Dann tapste sie durch den dunklen Salon, dankbar für das matte Licht, das durchs Fenster hineinfiel. Nathanial schloss nicht einmal seine Vorhänge! Sie tastete sich zu seinem Bett vor, packte seine Schulter und schüttelte ihn.
»Nathanial!«, flüsterte sie.
»Waaa…«, stöhnte er.
Unwillkürlich musste sie kichern. »Gütiger, Nathanial, wie kannst du schlafen, während ich mich wach hin- und herwälze?«
»Gabriella?«, fragte er, und seine Stimme war vom Schlaf belegt.
»Hattest du eine andere Besucherin erwartet?«
»Ich hatte niemanden erwartet.« Er ergriff ihre Hand und zog sie zu sich auf das Bett. »Aber ich bin ein überaus dankbarer Gastgeber.«
Ehe sie protestieren konnte, presste er seine Lippen auf ihre und küsste sie lang und fest. Dieser Kuss ließ selbst die ehernste Entschlossenheit dahinschmelzen. Ein Kuss, um ein Herz zu stehlen oder ein Versprechen zu besiegeln.
Schließlich beendete er ihn. »Darf ich dies so deuten, dass du nicht mehr wütend auf mich bist?«
»Ich war nicht wütend auf dich.«
Er lachte leise. »In dem Fall möchte ich, glaube ich, niemals erleben, wenn du es bist. Was tust du hier?«
»Zuerst einmal …« Sie küsste ihn wieder. Im Dunkeln konnte sie seine Augen nicht sehen, was wohl besser so war. »Ich liebe dich, Nathanial, und ich dachte mir, du solltest es wissen.«
»Gabriella …«
»Nein, du musst jetzt gar nichts sagen. Und das war nicht alles, was ich dir erzählen wollte.« Sie küsste ihn nochmals und grinste. »Ich weiß, wo das Siegel ist.«
Sechsundzwanzigstes Kapitel
»Wie bitte?« Schlagartig war er hellwach.
»Ich weiß, wo das Siegel ist«, wiederholte sie lachend und stieg aus dem Bett. »Zieh dich an. Ich treffe dich gleich auf dem Korridor.«
»Warum ziehe ich mich an?«
»Wir müssen das Siegel holen.« Ihr Schatten bewegte sich weg und verschwand im Salon.
» Jetzt? «, rief er ihr leise nach. Aufregung rang mit Enttäuschung. Könnten sie nicht morgen gehen? Nach einer langen Nacht in seinem Bett?
»Ja, jetzt.«
Er hörte, wie die Tür sich hinter ihr schloss. Sie wusste, wo das Siegel war? Er grinste. War das nicht unglaublich? War sie nicht unglaublich? Und sie liebte ihn. Teufel noch eins, das hätte er nicht erwartet. Zumindest nicht heute Nacht. Natürlich hatte er es gehofft. Eilig warf er sich seine Kleider über und trat auf den Korridor. Dort wartete sie bereits auf ihn.
Er zog eine Braue hoch. »Wie ich sehe, trägst du deine Einbrecherkleidung.«
Selbst in dem schwachen Licht der einzelnen Flurlampe entging ihm nicht, dass sie errötete. Er liebte es, sie zum Erröten zu bringen!
»Sie ist … zweckdienlich. Und sie schien mir angemessen.«
»Für eine Schatzsuche vielleicht.« Er zog sie in seine Arme. »Heißt das, wir brechen in fremde Häuser ein?«
»Aber nein!«
»Sehr gut.« Seine eine Hand lag unten auf ihrem Rücken und wanderte nun tiefer, um ihren Po zu streicheln. »Ich liebe es, wenn du Männerkleider trägst.«
»Hör auf, Nathanial.« Ihr Lächeln machte den tadelnden Ton wenig glaubwürdig. Doch leider entwand sie sich ihm und lief voran zur Treppe. »Komm.«
»Warum kann es nicht bis morgen warten?«
»Vermutlich kann es, aber ich nicht.« Sie trippelte schon die Treppe hinunter.
»Wo gehen wir hin?«
»Ich besitze ein kleines Haus«, antwortete sie und drehte sich zu ihm um. »Doch das weißt du gewiss.«
Er schmunzelte. »Nehmen wir Mr Muldoon mit?«
»Ich sehe keine Notwendigkeit …«, mitten im Satz verstummte sie und seufzte resigniert. »Von ihm weißt du also auch.«
»Gabriella, meine Liebste«, sagte er, als sie an der Vordertür ankamen und er sie ihr aufhielt, »ich weiß alles.«
Sie schnaubte ungläubig. »Wir brauchen eine Kutsche, denn zu Fuß ist es zu weit. Kannst du selbst eine anspannen?«
»Ja, aber ich
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