Pfade der Sehnsucht: Roman (German Edition)
sie ihre Augen und lüpfte ihr Kinn. »Wenn Sie dann so gut wären, mich zu küssen, auf dass wir diesen Unsinn hinter uns haben.«
»Hinter uns?«
»Es geht um die Beschleunigung unseres Vorhabens, sonst nichts.«
»Beschleunigung.« Er nickte. »Und Effizienz auch, stimmen Sie mir zu?«
»Ja, ja«, antwortete sie ungeduldig. »Nun machen Sie schon!«
»Es ist verlockend«, sagte er leise. Dies war fürwahr eine Gelegenheit. Leider eine, die einzig ein Narr ergriffe. »Ich möchte behaupten, mich nicht zu entsinnen, wann ich das letzte Mal etwas so … Unwiderstehlichem begegnete.«
»Sehr schmeichelhaft«, bemerkte sie kühl, jedoch ein klein wenig atemlos, und reckte ihr Kinn noch höher.
»Aber ich denke nicht.«
Sie riss die Augen auf. »Was meinen Sie, Sie denken nicht? Wie können Sie?«
»Es mag damit zusammenhängen, dass Sie erwähnten, mich bei meinem Vornamen anzusprechen wäre nicht anders, als täte es meine Schwester.« Er schüttelte den Kopf. »Ein guter Rat für die Zukunft, Gabriella. Wenn Sie einen Mann bitten, Sie zu küssen, sollten Sie seine Gedanken nicht auf seine Schwester lenken. Solch ein Verweis kann die Stimmung ruinieren.«
»Ich habe Sie nicht gebeten, mich zu küssen!«
»Nein«, bestätigte er gelassen. »Sie haben es mir befohlen. Auch das kann das Feuer des Moments bedenklich dämpfen. Ein Mann mag die Illusion – denn eine Illusion ist es zumeist -, dass er in derlei Dingen das Sagen hat.«
Sie sah ihn ungläubig an. »Dann küssen Sie mich nicht?«
»Oh, ich werde Sie ganz sicherlich küssen, aber nicht in diesem Moment.«
»Seien Sie nicht albern! Dies ist Ihre Chance, und ich warne Sie, Nathanial, es wird keine zweite geben. Also!« Zum dritten Mal begab sie sich in Stellung. »Erledigen wir es endlich.«
Er hatte seine liebe Not, nicht laut zu lachen. »Meine liebe Gabriella, ein Kuss ist nichts, was man erledigt und ad acta legt. Er ist keine scheußlich schmeckende Medizin, die man zu nehmen gezwungen ist.«
Sie öffnete die Augen. »Ich weiß …«
»Sie wurden doch sicherlich schon geküsst?«
»Selbstverständlich wurde ich geküsst«, sagte sie spitz. »Viele Male.«
»Ach ja?«
Sie errötete, und Nate stellte fest, dass es überaus reizend war, wenn eine intelligente, selbstgewisse Frau so leicht errötete. »Ich bin kein Kind mehr.«
Dennoch wollte er wetten, dass sie bislang nicht oft geküsst wurde und eindeutig nicht gut. »Und waren diese vorherigen Küsse dergestalt, dass Sie sich einfach wünschten, sie wären vorbei und überstanden?«
»J… ähm, nein!« Ihr Lachen klang sehr gekünstelt. »Jeder einzelne von ihnen war recht vergnüglich. Eigentlich richtig nett.«
»Richtig nett?« Er schüttelte bedächtig den Kopf. »Ein Kuss, Gabriella, sollte niemals nur nett sein.«
Sie wollte ihm widersprechen, aber er kam ihr zuvor.
»Nicht einmal sehr nett ist gut genug. Zuerst einmal ist ein Kuss die … Ouvertüre, wenn Sie so wollen, zu einer größeren Symphonie. Ein Prolog, der vor der Geschichte steht.« Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken und schritt langsam um sie herum. Sie folgte ihm mit Blicken. »Ein Vorgeschmack auf das Bankett, das es zu genießen gilt.«
»Mr Harrington – Nathanial!« Sie blickte starr geradeaus und streckte die Schultern. »Es wird keine Symphonie, keine Geschichte und erst recht kein Bankett geben!«
Nate lächelte. »Sie nehmen meine Worte nicht auf, wie sie beabsichtigt waren. Ich erkläre Ihnen das Wesen des Kusses im Allgemeinen, nicht das unseres Kusses.« Er machte eine kurze Pause. »Es sei denn, Sie sehen unseren Kuss als ersten Schritt, der Sie letztlich in mein Bett führt.«
Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Ganz sicher nicht! Und würden Sie bitte aufhören, mich zu umkreisen. Ich fühle mich wie ein Huhn, das der Fuchs auserkoren hat.«
»Trotzdem«, sagte er und stellte sich vor sie. »Ein Kuss bleibt ein Anfang. Und ist zugleich ein Wendepunkt. Ein Kuss sollte Ihnen das Gefühl geben, der erste Moment von etwas Wundervollem zu sein.«
Sie schnaubte.
»Sie stimmen mir nicht zu?«
»Nein.« Ihr Fuß zuckte, als wollte sie damit aufstampfen. »Ein Kuss ist …«
»Ja?«
»Er ist …« Sie hob und senkte die Schultern. »Er ist ein vorübergehender Verlust der Sinnenkontrolle. Ja, mehr nicht. Er ist lediglich eine kurzfristige Hingabe an die niederen Instinkte.«
»Ach, meine liebe Gabriella.« Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Sie mögen schon geküsst worden
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