Pfade der Sehnsucht: Roman (German Edition)
sich auf, ließ sie los und beachtete den perplexen Ausdruck in ihrem Gesicht nicht. Stattdessen ging er um den Schreibtisch herum und setzte sich. »Alsdann, wir sollten uns mit diesen Briefen befassen.«
Sie holte hörbar Atem und funkelte ihn wütend an. Ohne Zweifel würde er hierfür bezahlen, dachte er grinsend. Und er konnte es nicht erwarten.
Siebtes Kapitel
»Sie … Sie … Sie …«, stammelte Gabriella, die unangenehm kurzatmig war. Ihr war, als hätte er ihr einen Kübel kaltes Wasser ins Gesicht geschüttet. Nicht dass sie ihn wissen lassen wollte, wie schockiert sie war – oder, was es wohl eher traf, enttäuscht. Als hätte sie gewollt, dass er sie küsste, was sie ganz gewiss nicht hatte und nie würde. Dessen ungeachtet war sein Betragen überaus heimtückisch. »Nathanial Harrington, Sie sind ein überheblicher Esel!«
»Aber, aber, Gabriella, was sind das für Ausdrücke?« Er blätterte die Briefe auf dem Schreibtisch durch und richtete den Blick fest auf die Papiere vor sich, als hätte sie nichts gesagt. Als wäre sie gar nicht da!
Ihr blieb keine andere Wahl. Sie musste ihn umbringen. Langsam.
»Ihre Brüder üben offensichtlich einen schlechten Einfluss auf Sie aus.«
Mein Bruder und Männer wie Sie! Sie sprach es nicht aus, sondern atmete tief ein, um sich zu beruhigen. Es war nicht leicht gewesen, alle Manieren, oder vielmehr deren Mangel abzuschütteln, an den sie sich in den Jahren mit ihrem Bruder gewöhnt hatte. Anstand, besonders in Bezug auf Sprache, war stets etwas gewesen, mit dem sie Mühe hatte.
»Man sollte meinen, ich wäre wieder unter seinen Kameraden in der ägyptischen Wüste«, sagte Nathanial gönnerhaft.
Sie ballte die Fäuste. »Ich bitte um Entschuldigung, Nathanial.«
»Angenommen.«
»Es tut mir unendlich leid …«
Er lächelte noch gönnerhafter. »Aber nicht doch.«
»… dass Sie solch ein arroganter Esel sind.«
Nun sah er betont unschuldig zu ihr auf. »Ich verstehe nicht, warum Sie mich so erbost ansehen. Schließlich wollten Sie mich gar nicht küssen.«
»Ich sehe Sie nicht erbost an«, erwiderte sie schnippisch.
»Meine liebe Gabriella, wenn Blicke töten könnten, läge ich längst tot auf dem Boden.«
»Das wäre wahrlich ein Jammer.«
»Es freut mich, dass Sie so denken.«
»Es wäre ein viel zu schneller Tod.« Gabriella stemmte die Hände auf den Schreibtisch und beugte sich zu ihm. »Nein, Sie verdienen einen viel, viel langsameren. An Pflöcke gebunden auf einem afrikanischen Ameisenhügel beispielsweise.«
Er stand auf. »Angebunden, sagten Sie?«
»Unter der sengenden Tropensonne.«
Er stützte ebenfalls die Hände auf den Schreibtisch und lächelte. »Nackt, nehme ich an?«
Nackt? Warum in aller Welt musste er das Wort benutzen? Sofort sah sie es in ihrem Geist vor sich: der nackte Nathanial Harrington, angepflockt auf einem Ameisenhügel. Nicht dass sie genau wüsste, wie ein erwachsener Mann in einer solchen Position aussähe. Nahm sie jedoch ihre begrenzten Erfahrungen und die Gemälde und Skulpturen, die sie gesehen hatte, zusammen, konnte sie es sich recht gut vorstellen. Und musste den Gedanken umgehend beiseiteschieben.
»Oder vielleicht in Stücke gerissen von Wilden in den Urwäldern Südamerikas.«
»Wilde, die mir zuerst die Kleider vom Leib reißen müssten, meinen Sie?« Das Funkeln in seinen Augen passte zu seinem Grinsen.
Wieder erschien Nathanial Harrington in ihrem Kopf, an dem Wilde rissen, sodass Fetzen seiner Kleidung herunterfielen wie die Glasur von einem Kuchen. Sie verzog das Gesicht und schüttelte das Bild fort. »Oder … oder … von Kannibalen gefressen. Ja, genau das verdienen Sie.«
»Lebendig gekocht, vermute ich.« Er nickte ernst, was nicht zum amüsierten Leuchten seiner Augen passte. »Nackt, natürlich.«
»Würden Sie das bitte lassen!« Ein nackter Nathanial Harrington hockte in einem großen Eisenkessel über einem Feuer, umringt von Kannibalen. Sie richtete sich ruckartig auf. »Hören Sie sofort auf!«
Er sah sie verwundert an. »Womit aufhören!«
»Das Wort zu benutzen!«
»Welches Wort?«
»Sie wissen, welches ich meine.«
Er grinste. »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.«
Gabriella schnaubte. »Nackt, Nathanial!« Gütiger Gott, hatte sie soeben nackt und Nathanial im selben Satz benutzt? »Das Wort ist nackt! Nackt, nackt, nackt!« Sie schien nicht aufhören zu können. »Wie Sie sehr wohl wissen.«
Sein Grinsen wurde noch unverschämter. »Die Beispiele
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