Pfade der Sehnsucht: Roman (German Edition)
fort: »Mein verstorbener Gemahl Charles erzählte, dass man in seiner Kindheit hitzig über die Elgin-Marbles diskutierte.«
»Und besagte Diskussionen dürften zweifellos unsere Urgroßeltern inspiriert haben, nach dem verlorenen Gold in Ägypten zu suchen«, sagte Nate, der sich zu Gabriella beugte. »Wie wir es hörten, erlebten sie dort veritable Abenteuer, mit Entführungen, gefährlichen Verfolgungsjagden und dergleichen.«
»Das kling sehr aufregend«, murmelte sie.
Nate war nicht sicher, ob sie das wenig standesgemäße Betragen seiner Familie bei Tisch enervierte oder sie schlicht überwältigte. Es hätte ihn auch keineswegs verwundert, denn anscheinend war Gabriella ganz allein auf der Welt.
»Wie dem auch sei«, schwenkte Quint geradewegs zum vorherigen Thema zurück. »Man sollte meinen, wenn die Länder ernstlich unter dem Verlust ihrer Artefakte litten, würden sie es uns Findern schwerer machen, sie außer Landes zu schaffen. Beispielsweise indem sie Staatsdiener beschäftigen, die Bestechungsgelder nicht als festen Bestandteil ihres Lohns auffassen.«
Seine Mutter verzog das Gesicht. »Ja, das ist ein großes Problem.«
»Leider ist Bestechung in vielen Ländern der Welt eine Selbstverständlichkeit«, sagte Nate. »Ein notwendiges Übel quasi.«
Gabriella hüstelte, was sich beinahe wie ein erstickter Schrei anhörte, aber wahrscheinlich doch nur ein Hüsteln war.
»Du kannst beruhigt sein, Mutter«, lenkte Quint ein. »Nate achtet darauf, dass ich mich im Rahmen der Gesetze bewege und insgesamt wohlverhalte.«
»Wofür ich ihm überaus dankbar bin«, erwiderte sie. »Es stünde schlecht um meinen Seelenfrieden, wäre ich nicht versichert, dass er über dich wacht.«
»Ich wache nicht über ihn, Mutter«, korrigierte Nate.
»Aber du passt auf ihn auf«, beharrte sie. »Dabei sollte Quinton als der Ältere von euch eigentlich eher auf dich achtgeben.«
Quint warf ihm ein ganz und gar nicht reumütiges Grinsen zu.
»Bedauerlicherweise scheint dein Bruder solcher Form von Verantwortung nicht gewachsen.«
Quinton lachte. »Keiner Form von Verantwortung!«
Sie bedachte ihren Mittleren mit einem sehr strengen Blick. »Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass es sich eines Tages ändern wird.«
Reggie schnaubte sehr wenig damenhaft.
Ihre Mutter seufzte. »Und ich dachte früher, meine jüngeren Söhne würden Gelehrte wie ihr Vater.«
»Wie Vater?« Sterling schmunzelte. »Vater war kaum mehr als ein Amateurgelehrter, Mutter. Er war überglücklich, als Quinton den Akademien den Rücken zukehrte, um Professor Ashworth auf dessen Reisen zu begleiten. Und noch mehr freute ihn, als Nathanial sich ihm anschloss.«
»Es war das Abenteuer, müssen Sie wissen«, sagte seine Mutter zu Gabriella. »Ich vermute, mein Ehemann hat sich stets nach Abenteuern gesehnt. Damals war manches anders. Charles wuchs mit den Geschichten über die Earls of Wyldewood und deren große Taten auf.« Sie blickte zu Sterling. »Heute hat ein Earl wenig Gelegenheit, Schmuggler zu jagen, gegen Piraten zu kämpfen oder einer hübschen Maid zu Hilfe zu eilen.«
»Und doch mangelt es mir nicht an Beschäftigung«, bemerkte Sterling.
Seine Mutter wandte sich an ihre jüngeren Söhne. »Eure Beschäftigung hingegen ließe sich bestenfalls als fragwürdig bezeichnen. Und ich nehme an, dass sie oft gefährlich sowie gelegentlich unrühmlich ist.«
»Nur wenn es sich nicht vermeiden lässt, Mutter«, sagte Nate.
»Ja, sie hat zweifelsohne ihre spannenden Momente.« Quinton lachte und sprach Gabriella an: »Das dürfte Ihr Bruder nicht anders gesehen haben, nicht wahr, Miss Montini?«
Nate hätte ihn unter dem Tisch getreten, wäre er nicht außer Reichweite. Das Letzte, was er wollte, war eine Unterhaltung über Enrico Montini.
»Wie bitte?«, fragte sie.
»Er dürfte begriffen haben, dass zwischen Entdeckung und Raub ein sehr schmaler Grat verläuft. Zwischen einem ruhmreichen Archäologen und einem Dieb.« Quint zuckte mit den Schultern. »Enrico Montini war sich gewiss nie zu schade, alles Notwendige zu tun, um zu bekommen, was er wollte. Er wusste, dass Täuschung, Gesetzesbrüche, das Ignorieren moralischer Regeln und so fort häufig unumgänglich sind, will man sein Ziel erreichen.«
»Wie wir alle«, ergänzte Nate eilig mit einem warnenden Blick zu seinem Bruder. »Das meinte Quint.«
»Stimmt genau.« Quint trank von seinem Wein. »Das meinte ich.«
»Haben Sie von Ihrem anderen Bruder gehört, Gabriella?«,
Weitere Kostenlose Bücher