Pfade der Sehnsucht: Roman (German Edition)
nett.« Nate mühte sich vergeblich, nicht aufgebracht zu klingen. »Es fällt leicht, sie zu mögen.«
»Tatsächlich?«, raunte Sterling. »Das konnte ich bislang nicht feststellen.«
»Ich habe viel Zeit mit ihr verbracht«, sagte Nate. »Und sie wohl besser kennengelernt als ihr.«
»Sie ist dickköpfig und unabhängig und hat eine Neigung zum Diebstahl«, zählte Quint auf. »Kein Mann, der bei Verstand ist, würde sie ›mögen‹.« Er lachte. »Sie begehren, schon, aber nicht mögen.«
»Und doch tue ich es«, erwiderte Nate trotzig und sah zu Sterling. »Du denkst nicht, dass es voreilig wäre, nicht wahr? Sie zu mögen, meine ich?«
»Zugegeben, du weißt nach wie vor wenig über sie«, antwortete Sterling und paffte an seiner Zigarre. »Also, ja, in einem rationalen Sinne wäre es verfrüht. Aber ich schätze, dass Rationalität hier wenig Einfluss hat. Ich an deiner Stelle wäre allerdings vorsichtig, ehe ich nicht mehr weiß.«
»Ich würde sagen, es hängt ganz davon ab, was du planst.« Quint betrachtete seinen jüngeren Bruder. »Verführung und eine kurze, leidenschaftliche Affäre sind eine Sache. Ich weiß, dass dir derlei nicht fremd ist.«
Nate wedelte mit seiner Zigarre. »Fahr fort.«
»Eine gänzlich andere wäre, wenn dir etwas in den Sinn gekommen ist, das den Rest deines Lebens beträfe.«
Sterling schnaubte. »Unsinn.«
Nate nickte, wobei ihm ein sehr komisches Gefühl durch die Brust fuhr. Seine Brüder hatten natürlich Recht. »Dafür wäre es entschieden zu früh.«
»Meiner Meinung nach«, hob Quint an und legte eine dramatische Pause ein, »ist es genau das Gegenteil.«
Sterling starrte ihn entgeistert an. »Das ist nicht dein Ernst!«
»Oh doch, durchaus.« Quint nickte. »Ich bin schon seit Langem zu der Einsicht gelangt, dass ich, sollte ich jemals der richtigen Dame begegnen, mit der ich gern den Rest meiner Tage verbringen würde, mich diese Erkenntnis gleich einem Blitzschlag träfe.« Er sah zu Sterling. »Du weißt, was ich meine.«
Sterling schlug einmal die Lider zu und wieder auf und senkte sein Haupt.
Dann grinste Quint. »Obwohl ich zugebe, dass es banal und übertrieben romantisch anmutet.«
»Nicht zu vergessen unglaubwürdig, bedenkt man den Urheber«, sagte Sterling.
Quint tat es mit einem Schulterzucken ab.
»Sei auf der Hut, kleiner Bruder«, warnte Sterling Nate und sah ihn an. »Miss Montini ist womöglich nicht die, die du in ihr siehst.«
»Oder sie ist«, sagte Quint, der noch einen Rauchring ausblies. »Und falls dem so sein sollte, ja, dann denke ich, dass sie gut für dich sein könnte.«
»Nun, ich suche nach keiner, die gut für mich ist«, entgegnete Nate rasch. »Nicht zurzeit.«
»Selbstverständlich nicht«, bestätigte Sterling wenig glaubwürdig und wechselte das Thema. »Ist euch übrigens aufgefallen, wie viele Bouquets in den letzten Tagen für Reggie eintrafen?«
Quint lachte. »Sie hat eindeutig Eindruck bei den heiratsfähigen jungen Herren der Gesellschaft gemacht. Ich würde jedoch meinen, dass Reggie es nicht eilig hat, sich einen Ehemann auszusuchen. Trotzdem sollten wir, und mit ›wir‹ meine ich eigentlich Sterling, ein Auge auf sie haben …«
Das Gespräch der drei Brüder zog sich bis spät in die Nacht. Nate erzählte ihnen, wie wenig Gabriella und er bisher herausgefunden hatten. An einem gewöhnlichen Abend hätten sie sich nach den Zigarren zu den Damen gesellt, aber heute Abend hatte ihre Mutter gesagt, sie wolle sich beizeiten zurückziehen, was Gabriella und Reggie als Hinweis nahmen, es ihr gleichzutun. Leider. Nate hatte gehofft, Gabriella zu ihrem Zimmer geleiten zu dürfen.
So anregend die Unterhaltung auch war, die von Reggies potenziellen Verehrern bis hin zur Politik im jüngsten Skandal reichte, schweiften Nates Gedanken immer wieder zu Quints Bemerkung ab, dass er die richtige Frau sofort erkennen würde. Und unweigerlich fragte Nate sich, ob Gabriella, so abwegig es unter den gegebenen Umständen erscheinen mochte, vielleicht die richtige Frau für ihn war.
Oder ob sie die vollkommen falsche war.
Zwölftes Kapitel
Gabriella saß nervös auf der vorderen Kante des roten Samtsofas. Nathanial stand neben dem Kamin und wirkte deutlich weniger besorgt, als sie sich fühlte. Warum auch nicht? Er kannte Lady Rathbourne schließlich.
Der Salon, in den man sie geführt hatte, war, sofern das überhaupt möglich war, noch eleganter als jener der Harringtons. Doch während deren Heim Wärme
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