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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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Begrüßungsrede hielt ein kleiner stämmiger Mann mit mächtiger Stimme. Er entledigte sich seiner Aufgabe mit Geschick und einem kräftigen Schuß Humor. Auch in der Bibel schien er sich gut auszukennen. Kein Wunder, er war der Leiter der Gemeinschaft, ein frommer Mann, hochgeachtet in der Gemeinde. In seinem Haus trafen sich am Sonntagabend die Frommen des Dorfes. Später waren wir auch dabei. Manfred saß dann mit einigen Brüdern vorne um einen großen Tisch. Nur diese Tischgenossen hatten das Vorrecht, den Bibeltext auszulegen. Kam einer dabei zu kurz, so durfte er hinterher beten. Wir Frauen saßen auf unbequemen Bänken, lauschten den Eingebungen der Männer und hatten den Mund nur zum Singen und zu einem gelegentlichen »Amen« zu öffnen.
    Betete einer der Brüder gar zu langatmig oder legte dem Herrn die Sündhaftigkeit eines anderen Bruders zu offensichtlich ans Herz, dann pflegte Herr Abele den Sermon mit einem lauten »Amen« vorzeitig zu beenden.
    Da war außerdem Kirchengemeinderat Heinrich. Lang, dünn und immer müde. Er war der beste Kirchenschläfer, den ich je erlebt habe. Schon nach den ersten Worten der Predigt fiel er in tiefen Schlaf. Entstand eine kleine Pause im Redefluß des Pfarrers, dann hörte man von der Empore den wohlbekannten Schnarcher. Dauerte die Pause länger, dann weckte ihn die ungewohnte Stille. Er fuhr mit einem Grunzen hoch, schaute um sich, warf einen verdrießlichen Blick auf den Pfarrer und nickte sofort wieder ein, sobald die Predigt ihren Fortgang nahm.
    Bei einem geselligen Abend des Kirchengemeinderates hat uns sein Schlafbedürfnis den Spaß an einem Spiel verdorben. Er saß noch wach in unserem Kreis, als drei spielfreudige Leute den Raum verließen. Sie sollten nacheinander wieder hereinkommen und ein Tier darstellen, das ihnen der Spielleiter vorher genannt hatte. Der erste sollte als Pferd erscheinen, der zweite als Kuh und der dritte als Frosch. Sie durften die Vorstellung erst beenden, wenn das Tier erraten wurde. Der Spaß bestand nun darin, daß man der Spielrunde einschärfte, sie solle sich bei dem Frosch ganz dumm stellen, ihn für ein Känguruh, ein Eichhörnchen, ein Nilpferd halten, nur nicht für einen Frosch. Auf diese Weise mußte der unglückselige Froschdarsteller solange hüpfen, quaken und springen, wie es den anderen gefiel. Alle hatten die Anweisungen verstanden, nur Herr Heinrich schlief. Der Frosch kam herein, er quakte bereit^ an der Tür. Herr Heinrich erwachte, zwinkerte kurz und sagte: »A Frosch.«
    »Pscht!« riefen die anderen.
    Herr Heinrich riß erstaunt die Augen auf. »Ja, des isch doch a Frosch!« Der Froschdarsteller setzte sich. »Das ist ein blödes Spiel«, sagte er. Keiner widersprach. —
    Auch ein Metzgermeister war unter den Kirchengemeinderäten. In unseren ersten Ehewochen hatte ich Schwierigkeiten mit dem Kochen. Gulasch war das einzige Fleischgericht, an das ich mich herantraute. Holte ich nun am Samstag Gulasch für das sonntägliche Festmahl, so sah mich der Meister jedesmal mißbilligend an.
    »Ja, gibt’s denn wieder nichts Rechtes?« sagte er. Aus lauter Angst vor seinem strafenden Blick ging ich dazu über, ab und zu einen verkohlten Braten auf den Tisch zu stellen. Dieser Metzger war ein sanfter Mann. Er lachte gern, besonders über andere, und er war so fett und mild wie seine Wurst. Mit einer solchen Wurst wollte er später einmal unseren Andreas in Versuchung führen. Der Laden war voll. Es gelüstete den Meister, vor soviel Publikum seinen goldenen Humor zu zeigen. Andreas stand vorne. In der einen Hand hielt er den Einkaufskorb, mit der anderen hatte er seinen frechen, kleinen Bruder gepackt. Sein Gesicht war umdüstert. Mathias hatte ihn heute schon viel geärgert! Der Metzger nahm einen Wurstring vom Haken und hielt ihn verlockend vor die Nase des kleinen Burschen.
    »Wenn ich dir die schöne Wurst gebe, schenkst du mir dann euren Mathias?« fragte er voller Tücke und zwinkerte den anderen Leuten im Laden zu.
    Andreas aß die Wurst nicht gern, trotzdem strahlte sein Gesicht: »Du kannst ihn gleich behalten, auch ohne Wurst!« rief er erfreut.
    Zum Kirchengemeinderat gehörte auch ein Bäckermeister. Von ihm wurde erzählt, daß er ab und zu seinen abgelutschten Zigarrenstummel in die Brezellauge fallen lasse. Dies wäre aber kein Schaden, meinten die Dorfbewohner, denn die Brezeln würden dadurch ganz besonders kräftig und würzig. —
    Nacheinander machten wir Antrittsbesuche bei unseren

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