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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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Schock mochte niemand mehr ein zweites Gläschen^ trinken. Die Gäste verabschiedeten sich früh und versicherten, daß wir uns viel zu viel Mühe gemacht hätten. Wir aßen drei Tage lang Pizza und mochten dann für längere Zeit keine mehr.
    Bei Pfarrers hätte es Tomatenkuchen und Ananassuppe gegeben, hieß es am nächsten Tag im Dorf. — Auch bei der zweiten Einladung gelang es mir nicht, die richtige Geschmacksnote zu treffen. Diesmal stellte ich in mühsamer Arbeit belegte Brötchen her. Mit Wurst, Käse, Radieschen und Tomaten, falschem Lachs und Kaviar schuf ich ein farbenprächtiges Wunderwerk. Unsere Gäste bestaunten die Schönheit der Platten, griffen aber nicht so herzhaftzu, wie wir gehofft hatten. Der Kirchenpfleger betrachtete mißtrauisch ein Kaviarbrötchen.
    »Was isch des?« fragte er mich. Ich erklärte es ihm. »Das ist Kaviar, Rogen, Fischeier. Es schmeckt wirklich gut.«
    »Hühnereier send mir liaber,« sagte er und verzichtete auf das Brötchen.
    Vier Tage lang aßen wir belegte Brötchen.
    Sehr vorsichtig und behutsam erklärten mir die Ehefrauen der Kirchengemeinderäte, daß sie zu der nächsten Einladung alle eine Kleinigkeit zum Essen mitbringen wollten. Jede etwas Gutes aus ihrer Küche, damit die Frau Pfarrer nicht soviel »Geschäft« habe. Es bliebe noch immer genug Arbeit mit dem Tischdecken, was die Frau Pfarrer ja so wunderbar könne. Manfred wurde bedeutet, daß keine Bowle vonnöten sei, da ein guter Wein ins Haus käme. Von da an wurde es lustig und lecker. Die Tafel bog sich unter all den »Kleinigkeiten«, die da herangeschleppt wurden. Wurst- und Käseplatten, Salate und kalter Braten, Pudding und Kuchen. Jetzt endlich wurde mit gutem Appetit gegessen und tüchtig getrunken. Schließlich machten wir sogar Gesellschaftsspiele. Stimmung und Lärm erreichten ungeahnte Höhepunkte.
    Am Tage nach einer solchen Einladung fragte mich Andreas, was ein Irrenhaus wäre.
    »Ein Irrenhaus? So nennt man das heute nicht mehr«, belehrte ich ihn. »Es ist ein Krankenhaus für Leute, die geistig krank sind.«
    »Bist du das, Mulchen, oder der Vati?«
    »Nein, um Himmels willen, wie kommst du denn darauf?«
    »Weisch, die Rosa hat zu mir gesagt, gestern wär’s im Pfarrhaus zugegangen wie in einem Irrenhaus.«
    Jetzt aber ging erst einmal der Umzugstag zur Neige und meine zweifelhaften Erfolge als Gastgeberin lagen noch im Dunkel der Zukunft verborgen.
    »Wir sollten die Kisten auspacken«, sagte Manfred.
    »Wir sollten lieber erst die Vorhänge aufhängen«, sagte ich, »jeder kann uns ins Fenster gucken, es ist mir unangenehm.«
    »Also, wo sind die Vorhänge?«
    »Woher soll ich das wissen?« Die Stimmung wurde ausgesprochen gereizt. Ich stürzte mich auf die erste beste Kiste und fing an, darin zu wühlen. Manfred stolperte über die Bierflaschen, die noch auf dem Boden standen. »Welcher denkende Mensch stellt denn Bierflaschen...«
    »Still!« rief ich, »hörmal!« Es klang, als käme der Teufel die Treppe herauf: Ein Menschenfuß, ein Pferdefuß. Mir standen die Haare zu Berge. Manfred vergaß seinen Ärger und ging zur Wohnungstür, er riß sie auf, ich verschwand hinter der Kiste. Da stand die Gemeindeschwester Lina, in der rechten Hand einen Blumenstrauß, in der linken einen Krückstock, das Bein in Gips.
    »Soll ich mir auch noch den Hals brechen? Mir langt das Bein. Sie haben kein Licht im Flur!«
    Das war die Begrüßung. Manfred knipste den Lichtschalter an, aber es blieb dunkel. Wir hatten vergessen, die Lampen anzuschließen. Schwester Lina besichtigte die Zimmer. Im Schlafzimmer ließ sie den Krückstock fallen, um die Hände ringen zu können.
    »Noch keine Betten gemacht?Ja, sind Sie zu retten! Gleich wird es stockdunkel sein.«
    Ich reichte ihr den Stock, dann tappte sie wieder die Treppe hinunter und kam nach kurzer Zeit mit Kerzen wieder. Sie stand im Schlafzimmer als Kerzenhalter. Wir durchwühlten die Kisten, um das Bettzeug zu finden.
    »Soll ich ewig stehen? Ich bin nicht mehr diejüngste. Wenn man sich nicht um alles kümmert! Aber ich hätte es wissen müssen. Diese jungen Leute verstehen nichts vom Umziehen. In den Bücherkisten werden Sie das Bettzeug nicht finden. Schauen Sie im Studierzimmer nach, ob da die Bettkisten stehen. Ordentliche Menschen schreiben auf jede Kiste, was drin ist!«
    Endlich waren die Betten überzogen. Sie tropfte Stearin auf die Glasplatten der Nachttische, drückte die Kerzen darauf, wünschte »Gute Nacht« und verschwand

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