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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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niemand würde etwas merken. Also machte ich mich an die Arbeit und versuchte, die halbgaren, heißen und glitschigen Kartoffeln zu zerschneiden. Sie glitten mir immer wieder aus den Händen. Christoph sammelte sie vom Boden auf und warf sie wieder in den Topf. Um sieben waren wir immer noch bei der Arbeit. Else kam. Sie schimpfte schon an der Haustür. Wir flohen durch’s Fenster in den Garten. Nach dieser Misere wurde ich nicht mehr zu Küchendiensten herangezogen. »Das mecht vielleicht ein armes Aas sein, das wo dir einmal heiraten tut«, sagte Else, und damit hatte sie recht.
    Ein halbes Jahr vor der Hochzeit wurde ich mir meiner Schwäche ängstlich bewußt und beschloß, eine Stelle als Haustochter anzunehmen. Ich durchforschte die Zeitungen nach Angeboten.
    »Welches strebsame Mädchen möchte seine Kenntnisse in einem größeren christlichen Haushalt erweitern? Geregelte Freizeit und Familienanschluß...«
    Ich war ein strebsames Mädchen und wollte meine Kenntnisse erweitern, also schrieb ich zu.
    »Wie kannst du nur!« rief Mutti, »Kochen ist kein Hexenwerk, ich habe es schließlich auch gelernt!« Vati bekam einen Hustenanfall.
    »Wenn du kochen lernen willst, ist das eine gute Sache. Wir hatten nur gehofft, du bleibst das letzte halbe Jahr noch bei uns.«
    Ich fuhr. Der größere Haushalt war ein riesiges eiskaltes Schloß mit vielen Zimmern, die zu putzen mir nun oblag. Das Kochen besorgte die Hausfrau, da sie mit Recht annahm, daß meine Mitwirkung den Gerichten wenig zuträglich sein würde. Dafür durfte ich Berge von Geschirr spülen, Gemüse putzen und Kartoffeln schälen. Da der Hausherr eine Jagd besaß, lernte ich auch, Hasen zu häuten und Rehrücken zu spicken. Kenntnisse, die mir später wenig zugute kamen. Der Familienanschluß bestand darin, daß die Kinder der Familie während der geregelten Freizeit in meinem Zimmer ihre Schularbeiten machten. Daß der Haushalt »christlich« war, erkannte ich bei den Tischgebeten. Meine Hände streikten zuerst. An niedere Temperaturen und scharfe Seifenlaugen nicht gewöhnt, erwuchsen ihnen juckende Frostbeulen und tiefe Schrunden. Also arbeitete ich mit Gummihandschuhen, doch fand dieser Anblick wenig Wohlgefallen bei der Schloßherrin.
    »Gelobt sei, was hart macht«, sagte sie, »in meinem Haus hat noch niemand Gummihandschuhe getragen.«
    Nachts, wenn die Frostbeulen so juckten, daß ich nicht einschlafen konnte, überlegte ich mir, was alles ich morgen meiner Gebieterin ins Gesicht schleudern würde.
    »Frau von Gütig«, würde ich sagen, »ich bin nicht hier, um ihre vergammelten Treppen zu scheuern, denn das kann ich schon! Ich will auch keine Hasen mehr häuten, ich will sie kochen! Und Ihren Schnee können Sie selber schippen, sonst packe ich meine Koffer, denn dieser christliche Haushalt stinkt mir!«
    Jawohl, so würde ich sprechen, sie würde bekennen, daß sie ein widerlicher Mensch sei, sich aber bessern wolle mit meiner Hilfe, und dann würden wir uns weinend in die Arme sinken. Am nächsten Morgen schippte ich brav Schnee, scheuerte Treppen, häutete Hasen und sprach kein einzig Wörtlein.
    Sechs Wochen nach meinem Amtsantritt als Putzfrau bekam ich Besuch. Ich fegte gerade den Schnee von der großen Freitreppe, da tippte mir jemand auf die Schulter. »Na, Pickdewick, wie geht’s denn so?« Da stand mein Vater, neben ihm wie ein Gartenzwerg die kleine Gitti. »Deine Briefe sind lang, aber nichtssagend«, meinte Vati und betrachtete meine wunden Finger, »wir sind gerade unterwegs, und da dachten wir...«
    »Was hasch denn du für wüschte Hände?« fragte Gitti.
    Es war genug. Der Krug meiner Leiden floß über, ich auch. »Herrlich, so ein Schloß und hübsch kalt«, sagte Vati, »kannst du schon kochen? Nein? Dann wirst du es hier auch nicht mehr lernen. Else ist willens, dich in ihre Künste einzuweihen, wenn du heimkommst.«
    Gitti half mir fröhlich plaudernd, die Koffer zu packen. Vati führte ein Gespräch mit der Schloßherrin. Eine Stunde später verließen wir die Stätte meines Wirkens.
    »Ich hätte durchhalten müssen«, klagte ich im Zug, »nie werde ich mir diese Flucht verzeihen!«
    »Es war keine Flucht«, sagte Vati, »es war ein elterlicher Gewaltakt! Deine Mutter hat eine Gallenkolik und liegt im Bett. Deine Geschwister brauchen Aufsicht. Böden gibt’s genug zu putzen.«
    »Und du hast versprochen, du bringst mir Flötenspielen bei!« ergänzte Gitti.
    Else betrachtete meine Hände. »Mei bosche kochanje! Was ham

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