Pfarrers Kinder Muellers Vieh
se mit dir jemacht!« schrie sie, »biste in Sibirien jewesen? Aber keene Sorje nich, ich kenn mich aus mit Frostbeulen! Da jibt’s zwei Mechlichkeiten. Die erste ist einfacher, aber da biste zu fein dazu, wie ich dir kenne. Also werd ich dir mit Zwiebeln behandeln. Setz dir hintern Küchentisch und halt den Mund!«
Sie schnitt Zwiebeln und briet sie goldbraun. Christoph erschien.
»Hm, da duftet’s, was gibt’s Gutes?« fragte er hoffnungsfroh.
»Nuscht für kleine Kinder, raus aus die Küche!« knurrte Else. Sie holte Tücher, schüttete die Zwiebeln darauf. »Her mit die Finger!« befahl sie und wickelte die dampfenden Zwiebeltücher um meine Hände. Ich jaulte. »Jut so«, sagte Else zufrieden, »schrei du nur! Aber die erste Mechlichkeit mechte vielleicht doch besser jewesen sein.«
»Was für eine Möglichkeit, Else?«
»Du müßtest drüber pinkeln«, sagte Else »das zieht den Frost raus, aber du machst das ja nicht.«
»O Mensch, bist du vielleicht ein Schwein!« rief Christoph von der Türe her und verschwand eilig.
Nahrhaft duftend zog ich durchs Haus, nahm wieder Besitz von meinem Mädchenzimmer, fragte Stefan Vokabeln ab, bis ihm der Zwiebelgeruch zu lästig wurde, und saß am Bett meiner Mutter, die nach einer Gallenkolik wieder einmal zu der Einsicht gelangt war, daß ihr Bohnenkaffee nicht gut tue.
»Ach Kind, ich kann machen, was ich will, er bekommt mir nicht!« klagte sie. »Ich habe den Eindruck, daß ich nicht mehr lange leben werde. Gott sei Dank, daß du da bist!«
Sie ging mit ihren Todesdrohungen nicht zimperlich um. »Laß sie noch eine Woche leben!« pflegte ich in angstvollen Stunden zu beten; »Laß sie noch leben bis Weihnachten... bis ich mein Abitur habe... bis ich verheiratet bin...« Sie starb lange nach Vati. Wir hatten soviel Angst um sie, daß wir gar nicht merkten, wie krank er war.
Zum Kochen kam ich nicht mehr im elterlichen Haus. Die Frostbeulenbehandlung hatte Elses Geduld völlig erschöpft. Mich nun auch noch als Kochelevin in der Küche dulden zu müssen, ging trotz aller Versprechungen über ihre Kräfte.
»Kartoffeln kannste ja nun kochen, mecht ich hoffen«, sagte sie, »und wenn er Hunger hat, ißt er alles!« Damit schloß sie die Küchentüre hinter mir zu.
Fünf Tage lang ging in Weiden alles gut, jedenfalls was meine Kochkünste betraf. Wir aßen Maultaschen. Als aber die letzte verzehrt war, blieb mir nichts anderes übrig, als selber etwas zusammenzubrauen. Manfred war so völlig ahnungslos über meine nichtvorhandenen Kochkenntnisse, daß er sich beim Frühstück zu der Bemerkung verstieg, er freue sich, nun endlich etwas Köstliches aus meiner Küche essen zu dürfen. Ich dachte mir gleich, daß er diese Bemerkung noch bereuen würde, aber ich wollte ihm die Vorfreude nicht nehmen.
Schon um neun Uhr verschwand ich in der Küche, um auch gewiß bis zur Mittagszeit mit dem Menü fertig zu sein. Zur Hochzeit hatte ich ein Kochbuch »Für die feine Küche« geschenkt bekommen. Ich setzte mich an den Küchentisch, legte einen Zettel bereit zum Notieren von in Frage kommenden Gerichten und begann zu blättern. »Rebhühner im Topf mit Gemüse« las ich, »Schnepfe in Rotweinsoße«, »Cordon bleu« und »Schinken im Brotlaib«. Es gab in diesem Buch keine einfache Hausmannskost, nur lauter extravagante Gerichte. Dazu kamen unverständliche Beschreibungen. Was war ein Eischwer Zucker? Wie und warum stößt man Mandeln? »Pürieren« sollte man, »blanchieren« und »frittieren«, ich hatte noch nie etwas dergleichen gemacht. Die Abbildung eines roten Puddings stach mir in die Augen. Er sollte mit Kognak übergossen, dann angezündet und brennend auf die Tafel getragen werden. Was für ein flammender Auftakt zu vielen köstlichen Mahlzeiten, bereitet von meiner kundigen Hand! Wie würden Manfreds Augen leuchten! Ich geriet ins Träumen. Dann las ich das Rezept von vorne. Zwei bis drei Stunden sollte der Pudding im Wasserbad kochen. Wir hatten kein Bad, wo sollte ich ihn kochen? Aus der Traum! Ich legte das Buch beiseite und beschloß, es nur an Festtagen zu benutzen. Fang mit einfachen Gerichten an, sagte ich mir, dann kannst du dich steigern. Also würde ich Gulasch machen und Spätzle. Gulasch hatte ich mir schon als Studentin gekocht. Spätzle kannte ich von Manfreds Elternhaus her. Manfred möge sie besonders gern, hatte mir die liebe Schwiegermutter erklärt, man müsse sie nur von Hand schaben, und der Teig solle schwer sein. Er geriet mir sehr
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