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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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meiner Hausfrauenehre kränkte.
    Als meine Eltern mich zum ersten Mal im neuen Heim besuchten, beschloß ich, einen Zwiebelkuchen zu backen. Dieses Gebäck war mir bei einem Pfarrkranz serviert worden. Nach anfänglichem Widerwillen hatte ich Wohlgefallen daran gefunden.
    »Kind«, sagte meine Mutter, als ich sie an der Haustüre empfing, »Kind, du hast recht gehabt, bei euch riecht es wirklich merkwürdig!«
    Je weiter wir die Treppe hinauf stiegen, desto besorgter hob sie die Nase. »Ihr müßt etwas dagegen tun«, sagte sie, »ich weiß ja, wie alte Pfarrhäuser riechen, aber dieser Geruch geht über die Grenze des Erträglichen.«
    Ich zeigte ihnen voller Stolz die Zimmer. Mutti versprühte Eau de Cologne um sich, Vati war besonders an der Aussicht interessiert. Er lehnte sich zu jedem Fenster hinaus und schöpfte tief Atem. Dann öffnete ich die Küchentür.
    »Himmel!« rief meine Mutter und preßte das Taschentuch an die Nase. »Kind, du mußt ab und zu den Abfalleimer ausleeren!« Ich schaute in den Backofen.
    »Gleich ist er fertig«, sagte ich, »dann können wir essen!«
    »Was ist das?« fragte Vati und zog sich ans Fenster zurück. »Ich habe einen Zwiebelkuchen für euch gebacken!« rief ich voller Stolz.
    »O, meine Galle!« stöhnte Mutti, »ich spüre schon den ganzen Tag, daß ich am Rande einer Kolik stehe!«
    Auch Vati betrachtete das Backwerk voller Abneigung. »Kuchen hat süß zu sein«, erklärte er, »ich kann unmöglich einen Kuchen mit Zwiebelfüllung essen! Wenn du darauf bestehst, werden wir den Kuchen essen, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß etwas, was so fürchterlich stinkt, noch eßbar ist. Denke an die Galle deiner Mutter und habe Erbarmen mit uns.«
    Auch mein Schwiegervater, der die schwäbische Küche schätzt und liebt, stocherte unzufrieden in seinem Zwiebelkuchen herum. »Irgendetwas stimmt da nicht«, erklärte er und zerbiß geräuschvoll eine Zwiebel, »ich weiß nicht, was es ist, aber Mutters Kuchen schmeckt anders.«
    »Ja«, sagte meine Schwiegermutter vorsichtig, »vielleicht solltest du die Zwiebeln dämpfen, bevor du sie auf den Kuchen legst. Sie sind ein wenig hart, findest du nicht? Ich kann mir natürlich vorstellen, daß sie roh gesünder sind, aber weißt du, wir sind nicht mehr die Jüngsten.«
    Die rechte Lust zum Kochen kam mir erst nach einer Entschlackungskur. In einer Illustrierten hatte ich von dieser Kur und ihrer Notwendigkeit gelesen. Alle Symptome des völlig verschlackten Menschen trafen auf mich zu. Ich fühlte meinen Puls und wunderte mich, daß ich überhaupt noch lebte. Auch Manfred war durch und durch vergiftet. Erst wehrte er sich gegen diese Erkenntnis, gab dann aber zu, daß er oft nach dem Essen unter Sodbrennen und starken Magenschmerzen litte, besonders wenn ich ihn mit neuen Gerichten beglücke.
    Wir mußten uns entgiften, wollten wir nicht eines jähen Todes sterben. So beschlossen wir, eine Weizengel-Entschlackungskur zu machen. Die Verkäuferin im Reformhaus riet uns, zuerst nur ein Paket zu kaufen, da der Chef nichts zurücknehme. Aber wir bestanden auf der Ration für zwei Wochen. Diese Kur sollte richtig durchgeführt werden, und was wir bezahlt hatten, würden wir auch essen — dachten wir.
    Am ersten Morgen der Kur waren wir noch vergnügt. Ich kochte die Weizengele genau nach dem Rezept auf der Packung. Wir freuten uns auf das gesunde Mahl, denn wir hatten Hunger. Der Hunger verging uns aber auf der Stelle, als wir das dünne Süppchen kosteten. Es schmeckte widerwärtig, und der Geschmack ließ sich weder durch Salz noch durch Honigzusatz verbessern. Die Mahlzeiten wurden uns zum Greuel. Wir sahen die beiden riesigen Packungen, die wir noch leer essen mußten, und verstanden auf einmal nicht mehr, warum wir uns entschlacken sollten. Eine Woche hielten wir durch. In dieser Zeit sprachen wir soviel vom Essen wie sonst noch nie in unserem Leben. Wir malten uns aus, was wir alles essen wollten, wenn diese Kur überstanden wäre.
    Am Sonntag predigte Manfred über die Speisung der Fünftausend. Liebevoll schilderte er die vielen Körbe mit Brot und Fischen. Mir lief das Wasser im Munde zusammen. Ach, wie gerne hätte ich einen sauren Hering gegessen! Diese Predigt war so anschaulich und zu Herzen gehend, daß unsere Gemeinde den Eindruck gewann, Pfarrers nagten am Hungertuch. Tags darauf kamen mehrere Besucher aus dem Dorf. Sie hinterließen Körbe mit nahrhaften Sachen. In der Küche roch es nach Schinken und frischem

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