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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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geliebte starke Onkel nebenan im Zimmer schliefe, und daß ich nur zu ihm hinüber laufen müsse, um gerettet zu sein. Also raffte ich alle Kraft zusammen, kroch aus dem Bett und lief zu Onkel Fritz hinüber. O Schreck! O Entsetzen, was mußte ich bemerken? Das fürchterliche Geräusch kam unter seinem Deckbett hervor. Ein Bär hatte den Onkel Fritz gefressen. Gleich würde das Tier aus dem Bett springen und auch mich verschlingen. Ich schlich zurück in mein Zimmer, schob mit zitternden Fingern den Riegel vor die Tür und versteckte mich unter dem Bett. Meine Zähne klapperten wie Kastagnetten. Ich mußte die Finger in den Mund stecken, damit der Bär nicht durch das laute Geräusch aufgeweckt wurde. Langsam kam ich wieder zur Besinnung, und da fiel mir die Geschichte von Schneeweißchen und Rosenrot ein. Vielleicht hatte der Bär den Onkel gar nicht gefressen. Vielleicht war der Onkel ein verzauberter Königssohn, der in der Nacht ein Bär sein mußte. Darum hatte er mir das Märchen erzählt. Armer Onkel Fritz! Er glaubte, ich würde ihn erlösen, und ich saß unter dem Bett und schlotterte vor Angst.
    Morgens beim Frühstück war der Onkel ganz vergnügt. Er aß drei Brötchen mit Honig und tat, als ob nichts gewesen wäre. Aber später, bei der Andacht, als wir das Vaterunser beteten, sagte er ganz laut »Und erlöse uns von dem Übel«, dabei guckte er mich an. Es half nichts, ich mußte ihn erlösen! Mein schreckliches Geheimnis bedrückte mich sehr. Ich wollte den Bären nicht mehr tanzen lassen, und als der Onkel mich zu einem Spaziergang einlud, wagte ich kaum, meine Hand in die seine zu legen. Wer hätte gedacht, daß gerade der Onkel Fritz ein Königssohn war? Er trug keine Krone und kein Zepter. Es war mir aber schon vorher aufgefallen, daß er aus seinen Hosentaschen ungeahnte Schätze hervorzaubem konnte.
    »Onkel Fritz, wo ist dein Königreich?«
    Er lachte und sagte, dies alles wäre sein Königreich. Der Wald und der Garten und seine Wohnung mit den vielen Büchern und dem Malkasten und dem Goldfisch. Ich horchte auf.
    »Onkel Fritz, hast du einen richtigen Goldfisch?«
    »Ja«, sagte er »du kannst es mir glauben!«
    Nun waren die letzten Zweifel beseitigt, nur ein Königssohn konnte einen goldenen Fisch besitzen. Abends beim Gute-Nacht-Kuß sah mich der Onkel traurig an. »Morgen früh muß ich schon wieder abreisen.«
    »Onkel Fritz«, sagte ich, »du kannst dich heute nacht auf mich verlassen!«
    »Das freut mich, Pickdewick, ich weiß, daß du ein gutes Mädchen bist!«
    Dann ging er. Ich lag im Bett und erzählte mir selber Geschichten, um nicht einzuschlafen und die große Tat zu verpassen. Unten saßen sie noch zusammen. Mutti sprach, der Onkel lachte. Scheinbar fand die schreckliche Verwandlung erst im Bett statt. Dann endlich knarrte die Treppe. Nebenan ging die Türe auf, Licht fiel in mein Zimmer. Der Onkel lief hin und her, zog die Vorhänge zu, gähnte und ließ sich auf s Bett fallen. Das Licht erlosch. Es wurde still, aber nur für kurze Zeit. Erst hörte ich nur ein paar lange Seufzer — ach, der arme Onkel! Dann schnaufte, knurrte, brummte es genau wie gestern nacht und noch viel schlimmer.
    »Lieber Gott, mach doch, daß er mich nicht frißt!« betete ich, sprang aus dem Bett, rannte durch das Zimmer hinüber zum verzauberten Onkel und drückte einen Kuß auf seine lärmende Schnauze. Sie war tatsächlich stachlig wie bei einem Bären. Gleich hörte er auf, zu knurren und zu brummen und rief mit seiner menschlichen Stimme: »Verdammt nochmal, wer ist denn da?«
    Er knipste das Licht an. Da sah ich, daß er kein Bär mehr war. Ich hatte ihn erlöst.
    »Ja, Pickdewick«, sagte er, »was machst du denn hier? Hast du Angst? Komm zu mir, du zitterst ja, bei mir bist du sicher.«
    Er streckte die Hand aus, aber das war mir denn doch zu grauslig. Eben war er noch ein Bär gewesen, und jetzt sollte ich schon mit ihm in einem Bett liegen? Nein, das konnte kein Mensch von mir verlangen. Ich hastete zurück in mein Zimmer und zog die Bettdecke über die Ohren. Wenigstens »danke« hätte er sagen können! Am nächsten Morgen reiste der Onkel ab.

    Bei uns in Weiden schlief Onkel Fritz im Gastzimmer und konnte ungestört schnarchen. Ich erzählte ihm die Geschichte. »Nein, so was«, sagte er, »Pickdewick, willst du mich nicht wieder küssen? Ich bin einer Erlösung dringend bedürftig!« Aber ich lachte nur und wollte nicht.
    Auch Manfreds Freunde besuchten den jungen Ehemann, um Haus,

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