Pfarrers Kinder Muellers Vieh
Stelle. Während der Predigt konnte man die Beule auf seiner Stirne wachsen sehen.
Bis zum nächsten Predigttausch war er wieder heil und gesund und ertrug eine neue Blessur mit gelassener Heiterkeit.
Der Frauenheld und der verzauberte Prinz
Das Pfarrhaus war groß, die Gegend romantisch, man besuchte uns gem. Im Sommer kam die Verwandtschaft, im Winter kamen die kirchlichen Mitarbeiter. Besonders oft tauchte Christoph bei uns auf. Er bewohnte das Dachkämmerchen, begleitete Manfred zum Religionsunterricht in die Filiale und machte den Mädchen im Dorf schöne Augen. Wenn sein blonder Schopf im Dachfenster erschien, lief die frohe Kunde mit Windeseile durchs Dorf.
»Frau Pfarrers Jüngschter isch wieder do!«
Alsbald stieg die Besucherzahl des Mädchenkreises, und ich mußte die Vorhänge im Räumle zuziehen, weil die Aufmerksamkeit meiner Zuhörerinnen ausschließlich nach draußen gerichtet war, wo der hübsche Bursche auf den Gartenwegen lustwandelte. Er flirtete hier und tändelte dort. Sobald die Sache aber gefährlich wurde oder in Liebe auszuarten drohte, packte er seine Koffer und kehrte heim ins Elternhaus. Eine Zeitlang saßen noch ein paar Schleiereulen im Mädchenkreis. Mit verweinten Augen sahen sie mich erwartungsvoll an, ob ich nicht ein Brieflein oder dergleichen für sie hätte. Aber ich stellte mich blind und taub, denn ich war nicht gewillt, den Postillon d’amour zu spielen. Als ich aber hören mußte, daß die hübscheste Maid des Kreises ihre langjährige Verlobung mit einem Bauernsohn gelöst hatte, und dies auch noch kurz nach dem Besuch meines flatterhaften Bruders geschah, griff ich doch zu Tinte und Papier. Ich schrieb einen zornigen Brief, was ich nicht hätte tun müssen, denn der Jüngling war ohnehin tief erschreckt und sah sich schon rettungslos ins Ehejoch gezwängt. Er blieb eine Zeitlang fern und erschien erst wieder auf der Bildfläche, als die Verlobung von ehedem wieder neu geschlossen war. Christoph liebte aber nicht nur die Mädchen, sondern auch die Pilze. Er suchte und sammelte sie mit Leidenschaft, wollte aber hinterher die Früchte seiner Bemühungen nicht genießen. Manfred kannte Stellen in den Wäldern, wo Pfifferlinge, Ziegenbärte und Steinpilze wuchsen. Die beiden Schwäger zogen morgens mit leeren Körben aus und kehrten mittags mit vollen wieder heim.
Schimpfend briet ich eine Extrawurst für meinen Bruder, denn die selbstgesammelten Pilze wies er voll Abscheu von sich.
»Langt es nicht, wenn ich sie mühevoll suche, muß ich sie auch noch essen?« so sagte er und widmete sich seinem Fleischgericht.
Auch Onkel Fritz besuchte mich. Er war alt geworden, ging gebückt und hatte weiße Haare, aber seine Augen schauten mich genauso scharf und durchdringend an wie ehedem. Er besichtigte alle Räume, genoß die Aussicht aus jedem Fenster, fand das Haus sehr schön, und setzte sich dann in den Garten, um die verwilderten Unkrautecken malerisch zu erfassen und auf s Papier zu bannen. »Pickdewick«, sagte er, »hör auf, Salat zu pflanzen und laß das schöne Unkraut wachsen. Du bist ein wenig prosaisch geworden, mein Kind!«
Am Sonntag ging er mit mir in die Kirche, saß in der Pfarrbank und skizzierte den Hochaltar während Manfred predigte. Aus seinem Wintermantel zog Mottenduft in meine Nase, ich nieste. Der Onkel schaute mich an und lachte. »Geht’s schon wieder los?« fragte er. Er hatte mich einmal vom Niesreiz erlöst, und diese Geschichte spukte uns beiden durch den Kopf. Ich hatte ihn auch schon erlöst, nur wußte er nichts davon.
Damals war Onkel Fritz noch aufrecht gegangen und hatte schwarze Haare gehabt. Er kam auf Besuch nach Kuschlin und brachte mir einen kleinen Bären mit. Wenn man diesen Bären aufzog, tanzte er im Kreise herum und schlug mit den Pfoten auf eine Trommel.
Abends setzte sich der Onkel nach alter Gewohnheit an mein Bett und erzählte mir ein Märchen. Es handelte von einem Bären, der eigentlich ein verzauberter Königssohn war, und der nur erlöst werden konnte, wenn ihn ein Mädchen auf die Schnauze küßte. Es war ein spannendes Märchen, ich war tief beeindruckt und konnte lange nicht einschlafen.
Der Onkel wohnte während seines Besuchs im Nebenzimmer, und, um ihm ja recht nah zu sein, machte ich die Verbindungstür einen Spaltbreit auf. Nachts weckte mich ein fürchterliches Geräusch. Es brummte, knurrte und schnaufte. Es klang so bedrohlich, daß mir der Angstschweiß ausbrach. In meiner Not dachte ich daran, daß der
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