Pfefferbeißer - Harz Krimi
wenn er wieder eine Sorte in der Hand hielt, die
in seiner Sammlung noch fehlte, entschädigten Fred für den scheinbar sinnlosen
Aufwand. Das war es wert. Fred liebte Henk.
Seiner Frau Sabrina brachte er zwei Leipziger Lerchen mit, ließ sich
das Mürbegebäck mit der delikaten Marzipan-Marmeladen-Füllung höchstpersönlich
von einer drallen sächsischen Konditoreifachverkäuferin einpacken und mit einem
verschnörkelten Bändchen verzieren. Wenn er wieder in Goslar war, tat Sabrina
dann so, als wäre sie vollkommen überrascht von seinem Geschenk. Aber das
harmlose Spiel sorgte für aufgeräumte Stimmung in ihrer Ehe.
Fred liebte seine Frau. Und weil er sie liebte, leistete er zwischendurch
Wiedergutmachung. Nie war er zu Hause, und wenn, dann schlecht gelaunt. In der
Firma fegte er herum und stieß jeden vor den Kopf, wenn etwas nicht so lief,
wie er sich das vorgestellt hatte. Dabei traf es regelmäßig seinen Bruder Henk,
den er oft genug für Sachen verantwortlich machte, für die er nichts konnte,
von denen er noch nicht einmal gewusst hatte.
»Die Familie ist das Wichtigste«, hatte sein Vater Charles de Groot
immer gesagt. Und das hatte Fred verinnerlicht, denn sein Vater war die einzige
Person in seinem Leben gewesen, die er respektiert hatte.
Charles de Groot, der gelernte Apotheker, war der Gründer von De
Groot Pharma gewesen; er hatte das Unternehmen in Goslar mit guter Anbindung an
die Achse Hannover-Berlin aufgebaut.
»Wenn du gut bist in dem, was du tust, wird man hier nicht an dir
vorbeikönnen«, hatte sein Vater zu ihm gesagt, bevor er Fred die Leitung des
Unternehmens übergeben hatte. »Es sei denn, dich interessiert nicht, ob du
jemand bist oder nicht.«
Sein Vater hatte ihm den Betrieb
anvertraut, nicht Henk. Der Grund für diese Entscheidung war kein Geheimnis
geblieben: »Du hast Phantasie und bist energisch genug, ein erfolgreicher
Unternehmer zu sein. Deshalb sollst du in Zukunft über das Unternehmen
entscheiden. Doch Henk ist dein Bruder, und ich erwarte, dass ihr
zusammenhaltet und euch gegenseitig stützt, für den Betrieb und für eure
Familien.«
Fred de Groot hob die Augen von den Umsatzzahlen des letzten
Quartals und blickte auf einen schlohweißen Haarschopf, den sie beide schon
Anfang vierzig bekommen hatten, auf einen untersetzten Körper mit wenig Hals,
eins achtundsiebzig groß, dem seinen gleich, auf ein Gesicht, das seinem
ebenfalls stark ähnelte, aber durch winzige Verschiebungen eine Spur
gutmütiger, weicher wirkte. Henks Augen waren kleiner und glänzten selten. In
geschäftlichen Dingen blieben sie meistens stumpf.
»War was in der Post?«, fragte Fred.
»Die Gruber AG hat gemahnt, und die ZASTRO liefert, so schnell sie kann.« Henk reichte ihm
die geöffneten Briefe und die noch verschlossenen mit dem Vermerk »persönlich«.
»Ist noch was?«
Wie ein benutztes Taschentuch, das er auf dem Boden mit zwei Fingern
aufgeklaubt hatte, hielt Henk ihm ein Papier entgegen.
»Weiß nicht, was das bedeuten soll«, sagte er in der indifferenten
Art, in die er verfiel, wenn er einem Ausbruch seines Bruders entgehen wollte,
»aber es stand nicht ›persönlich‹ drauf.«
»Gib her«, sagte Fred, ungeduldig wie üblich, und riss ihm den
Zettel aus der Hand.
Während des Lesens versuchte er ruhig zu bleiben.
Ziehen Sie Ihr Engagement in der Sache
»Hokenpassage« zurück, sonst werden mehr Leute von Ihren illegalen
Parteispenden erfahren, als Ihnen lieb ist.
Fred hob den Kopf. Henk schwieg, aber er würde ihm eine
Erklärung geben müssen. Dabei war die Erklärung weniger das Problem, auch
spielten die Antworten auf die Fragen, wer dahintersteckte und woher derjenige
von der Sache wusste, keine allzu große Rolle. Schwerer wog, dass er Henk nicht
eingeweiht hatte, seinen Bruder, dem er immer wieder versicherte, dass er auch
sein Vertrauter sei.
ZWÖLF
Es sei an Peinlichkeit kaum zu überbieten, giftete
Keilberth mit hochrotem Kopf, dass eine in einen Mord verwickelte Zeugin wie
Milda Auseklis so einfach unbehelligt aus dem Krankenhaus spazieren könne.
Nicht zu fassen, dass die Verantwortlichen – damit waren natürlich die
beiden Kommissare Kramer und Niebuhr gemeint – keine Vorsichtsmaßnahmen
getroffen hätten. Sina hatte Keilberth vorsichtshalber verschwiegen, dass
Niebuhr vor dem Zimmer gesessen hatte. Unvorstellbar, was dann erst los gewesen
wäre.
»Ich habe keine Beamten zur Beobachtung abstellen lassen«, erklärte
Sina dem Kriminalrat in
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