Pfeilgift: Katinka Palfys Siebter Fall
Dunkelmänner.
»Es wäre Quatsch, Hagen deswegen zu ermorden«, sagte Cuno. »Ich meine, wegen dieses Vertrages hier riskiert keiner, in den Bau einzurücken, das sage ich dir.«
Katinka sah aus dem Fenster. Der Morgendunst löste sich allmählich auf, und wieder kam ein unwirklich blauer Himmel zum Vorschein. Sie musterte desinteressiert die grauen Gebäude am oberen Ende des Marktplatzes. Auf der Terrasse des Brauhauskellers standen immer noch die Sonnenschirme.
»Cuno«, sagte sie langsam. »Alle Spuren, die wir abgegrast haben, wenn auch nur in Gedanken, haben eines gemeinsam.«
Sein Spiegelei kam.
»Sie geben nichts her«, bestätigte er.
Sie sahen einander an. Katinka musste ihn plötzlich gern haben, diesen ungehobelten Klotz mit Pferdeschwanz und Indianerfeder im Ohr.
»Wenn du mich fragst«, sagte er weiter, »und ich habe den Eindruck, du fragst mich, dann leidet Paula an Hirngespinsten. Wertinger hat sie ein paar Mal schräg angeredet, weil er dieses Papier unterzeichnet haben wollte, und schon schob sie Panik.«
»Nun ja«, sagte Katinka und die Sympathie für Cuno verflog, »dass er sie verprügelt hat, war kein Hirngespinst.«
»Ihr Weiber könnt einen aber auch manchmal zur Weißglut bringen mit eurer Verweigerungshaltung.«
Katinka nahm ihr Glas und goss den Rest des Latte Macchiato auf Cunos Spiegelei. Er starrte auf seinen Teller.
»Hast du sie noch alle?«, schrie er. Ein paar Gäste drehten sich zu ihnen um.
»Ich bin im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte. Wenn das bei dir auch so wäre, würdest du dich entschuldigen.«
Cuno stieß den Teller von sich.
»Ich glaub’s nicht.«
»Cuno, ich arbeite nicht mit einem Chauvinisten zusammen. Steig in deinen Bus und such dir jemanden, der dir die Stiefel leckt. Am besten fährst du im Tierheim vorbei und holst dir einen Hund.«
Cuno bekam einen Lachanfall. Er hustete, keuchte und röchelte. Schließlich tastete er nach einer Zigarette, nahm einen gierigen Zug und sagte:
»Irre. Einfach irre, die Frau.« Er lehnte sich zurück. »Gut. Wenn also all unsere bisherigen Gedankengänge im Nirwana geendet sind, dann waren sie einfach nicht die richtigen.«
Katinka lächelte.
»Du bist echt eine kooperative Type, Cuno.«
Er zeigte ihr einen Vogel.
»Schnapp bloß nicht über, Palfy. Sollen wir uns Mesoltech mal genauer ansehen?«
»Ich wusste, du würdest von selber darauf kommen. Warte einen Augenblick.«
Katinka bat die Bedienung, das Fax benutzen zu dürfen, und wurde ins Büro geführt. Sie rief Britta in Bamberg an.
»Brittachen? Hör mal, du kennst doch Hinz und Kunz.«
»Was brauchst du diesmal? Wir haben gleich Redaktionskonferenz.«
»Bring zwei Minuten dein Journalistenherz zum Schweigen und hör mir zu. Ich faxe dir einen Vertrag durch. Wenn du so nett wärest und ihn an einen Juristen weiterleitest, hochvertraulich natürlich. Ich muss wissen, ob irgendwelche versteckten Falltüren drin sind.«
»Willst du ein Haus kaufen?«
»Nein. Ich müsste möglichst in den nächsten zwei Stunden Bescheid wissen.«
Britta lachte.
»Sonst noch was? Soll ich dir eine Audienz bei Ratzinger besorgen?«
»Ein andermal«, sagte Katinka. »Ich lege die Dokumente jetzt aufs Fax. Sieh zu, dass du sie sofort einkassierst.«
»Wie Madame wünschen«, antwortete Britta. »Du weißt ja, egal was es ist, ich habe die Exklusivrechte. Wie geht’s Tom?«
Falsche Frage, dachte Katinka.
»Falsche Frage?«, erkundigte sich Britta.
»Ich…kann dazu jetzt nichts sagen. Gib mir die Faxnummer.«
»O-o«, machte Britta und diktierte die Nummer. Katinka legte die Blätter ein und wählte. »Danke, Britta. Ciao!«
Katinka wartete, bis das Gerät die letzte Seite gefressen hatte, sammelte die Papiere ein, bezahlte ihre und Cunos Rechnung und legte ein sattes Trinkgeld drauf.
Eine Minute von der Autobahnausfahrt entfernt ragte ein mehrstöckiger Glaswürfel auf: Mesoltech . Cuno hielt den Bus vor der Einfahrt an.
»Park lieber eine Straße weiter«, schlug Katinka vor. Ihr Handy klingelte.
»Palfy?«
»Uttenreuther.«
»Hardo!« Katinka wurde knallrot. Cuno wandte sich ihr zu und grinste hinterfotzig. »Gibt’s was Neues von dem Zweiundneunzigjährigen?«
Hardo lachte.
»Leider nein. Wir sollten ihn mal zum Augenarzt schicken. Sonst alles in Ordnung?«
»Ja, schon.«
»Also nicht?«
»Äh, doch.« Sie sah hastig zu Cuno hinüber. »Ich melde mich wieder.«
»Das wäre schön.«
Sie legten auf.
»Sag mal, hast du was mit dem
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