Pfeilgift: Katinka Palfys Siebter Fall
im Leben. Man läuft herum und zertrümmert Seelen.«
Katinka schwieg. Sie genoss seinen Geruch und seine warmen Hände. Wenn sie über seinen Bauch strich, staunte sie, wie fest er sich anfühlte. Er war so viel älter als sie. Da waren die drei Jahre, die sie mit Tom verbracht hatte. Erinnerungen und all die Päckchen aus Gefühlen und geteilten Augenblicken. Ich will keinem von beiden weh tun, dachte sie. Am ehrlichsten wäre es, ich würde keinen nehmen. Abhauen und noch einmal anfangen, ganz woanders.
»Ich kann ihn nicht heiraten«, sagte sie. »Ich habe gedacht, ich liebe ihn. Aber was ist schon Liebe, wenn ich ihm nicht vertrauen kann.« Selbst habe ich sein Vertrauen jetzt auch verspielt, dachte sie. Es wäre wirklich besser, einen sauberen Schnitt zu machen. Raus aus allem. Schluss mit Bamberg. Schluss mit den Männern, zwischen denen ich mich nicht entscheiden kann. Aber sie wusste zu gut, dass sie die Geborgenheit in Hardos Armen nie vergessen und immer vermissen würde. Es gäbe keinen zweiten, der sie so beschützen konnte.
»Man muss nicht heiraten, um zusammenzubleiben«, sagte Hardo. »Wenn du mir jetzt sagst, dass du es noch einmal mit ihm probierst, dann werde ich immer an diese Nacht denken und mich an ihr wärmen.«
Katinka stöhnte. Sie geriet ständig in Positionen, in denen sie über das Glück anderer bestimmte, wie eine kühne Göttin aus einer längst vergangenen Zeit. Sie wollte wieder mit Hardo schlafen, viele Male. Sie wollte seinen warmen Atem auf ihrem Haar spüren, wenn sie einschlief, und sie wollte, dass es da jemanden gab, zu dem sie heimkommen konnte. Nicht nur manchmal. Immer.
»Ich kann nur eins sagen«, flüsterte Katinka. »Ich weiß nicht, ob ich Tom nicht doch noch liebe.«
Hardo nickte. Sie spürte seine Anspannung.
»Gut«, sagte er.
Sie sahen einander in die Augen.
»Ich muss das herausfinden, bevor ich mich festlege.« Sie hielt kurz inne, fragte: »Und was machen wir jetzt?«
Er grinste schief und kroch aus dem Bett.
»Jetzt gehen wir zur Arbeit.«
Um kurz vor acht am Dienstagmorgen war Katinka in Schweinfurt. Sie trommelte mit den Fäusten an Cunos Campingbus.
»Cuno? Raus aus den Federn!«
Es dauerte, bis er die Seitentür aufschob. Sein Haar stand wüst um seinen Kopf, er trug Shorts und ein T-Shirt.
»Verflucht, Palfy, hast du sie noch alle?« Er schüttelte sich. »Es ist arschkalt.«
Katinka stieg zu ihm in den Bus.
»Hier stinkt es wie bei den Skunks in der guten Stube«, bemerkte sie. »Cuno, weißt du von Wertinger?«
»Was soll ich denn wissen.« Er schloss die Tür und zog sich einen Pulli über. »Setz dich.«
Katinka räumte zwei übergroße Kopfkissen beiseite und hockte sich auf die Liege.
»Wertinger hat sich heute Nacht umgebracht.«
Cuno rieb sich die Wangen und gähnte.
»Ja, klar, Märchenstunde.«
»Es stimmt. Ruth Stein hat Hardo angerufen«, sagte Katinka widerwillig. Man musste sie ihr ansehen, die Nacht mit Hardo.
»Verdammte Kleisterei«, knurrte Cuno und kratzte sich am Kopf. »Er hat Hagen umgebracht. Das ist das Erste, worauf die Bullen kommen. Damit erklären sie den Fall für abgeschlossen. Akte zu, alles erledigt.«
»Nur, wenn sich die Verdachtsmomente gegen Wertinger erhärtet haben.«
Cuno zuckte die Schultern. »Willst du Kaffee?« Er stand auf und hantierte mit seinem Wasserkocher. »Ich bin autark«, sagte er, als er ihren irritierten Blick sah.
»Ja, gern«, sagte Katinka. Sie sah Hardo, wie er ihr den Kaffee ans Bett gebracht hatte, ein Handtuch um die Hüften. Service bieten sie alle am Anfang, dachte sie sich. Nur nicht davon einwickeln lassen. Aber es ging nicht um den Kaffee, es ging um das riesige, urzeitliche Tier in ihrem Bauch. Könnte Liebe sein, dachte sie und konzentrierte sich auf Cuno. Er füllte Nescafé in zwei Tassen und sah dem Wasser beim Heißwerden zu.
»Wertinger war fertig mit sich und der Welt«, sagte er. »Gestern hat er reinen Tisch gemacht. In seinem Privatleben war es zappenduster, und beruflich steckte er genauso im Modder fest.« Cuno goss das brodelnde Wasser in die Tassen. »Ich habe darüber nachgedacht, als ich nicht einschlafen konnte. Es ist nicht gerade gemütlich, allein in einem kalten Campingbus, ohne eine anschmiegsame Frau.«
Katinka warf ihm einen Blick zu, den er mit einem Grinsen quittierte.
»War es wirklich Selbstmord? Oder Mord? Das frage ich mich«, sagte Katinka und nippte an dem Kaffee. Er schmeckte nach Gras.
»Frag die Bullen, du hast doch
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