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Pferde, Wind und Sonne

Pferde, Wind und Sonne

Titel: Pferde, Wind und Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cescco
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Namen. Der forschende Blick verwirrte sie, sie konnte nur stotternd hinzufügen, sie sei hier in den Ferien. Ihre Antwort schien der Alten gleichgültig zu sein. Aber die ausdrucksvollen, glänzenden Augen wandten sich nicht ab.
    »Ich sehe das Zeichen«, sagte sie unvermittelt noch leiser. »Was für ein Zeichen? Wo?« gab Karin bestürzt zurück. »Hier«, sagte die Alte ernst. Ohne Karin aus den Augen zu lassen, hob sie die Hand und legte sie sich auf ihre braune Stirn. »Hier. Ich sehe es ganz deutlich.«
    Karin sah Mireille an, die mit den Schultern zuckte. In der darauf folgenden Stille räusperte sich Pierre.
    »Also, hast du den Hengst gesehen?«
    Thyna zwinkerte listig mit den Augen. »Wer weiß? Vielleicht, vielleicht auch nicht.«
    Die beiden Gardians verständigten sich mit einem Blick: Genug Zeit verloren!
    Pierre seufzte: »Wenn du das Tier siehst, mußt du uns benachrichtigen. Es ist verletzt, und es würde uns keinen Spaß machen, es abzutun.«
    Sie trieben ihre Pferde an, während Thyna das Boot langsam weitergleiten ließ. Zum letztenmal ruhte ihr Blick auf Karin, die grundlos errötete. Sie hatte den seltsamen, aber keineswegs unangenehmen Eindruck, daß diese ungewöhnlichen Augen in ihr wie in einem offenen Buch zu lesen vermochten.
    »Wer ist diese Frau?« fragte Karin. Mireille lachte.
    »Ein Original aus der Gegend! Eine Zigeunerin aus dem Stamm der Manouches. Sie lebt allein in einer Hütte, die Tante Justine ihr auf ihrem Grundstück überlassen hat. Sie ernährt sich von den Fischen, die sie fängt, und von dem, was sie erbetteln kann. Sie spinnt ein bißchen, ist aber ganz harmlos.«
    »Ich habe sie kaum verstanden.« Karin rieb sich die Stirn. »Siehst du das Zeichen, das ich angeblich haben soll?«
    »Einen Mückenstich hast du zwischen den Augenbrauen. Den hat sie wohl für Salomons Siegel gehalten!«
    »Eine verdammte Hexe, diese Alte«, fiel ihnen Manuel zornig ins Wort. »Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, daß sie >Glanzstern< gesehen hat.«
    »Warum hat sie es dann nicht gesagt?«
    »Eben, das frage ich mich auch...« Mit gekränkter Miene hüllte sich Alain in feindseliges Schweigen. Karin dachte im stillen, daß er ein schlechtes Gewissen habe. Sie dachte an Thynas .Worte: »>Glanzstern< ist nicht einzufangen«, und sie fragte sich, was die Zigeunerin damit hatte sagen wollen.
    Sie setzten die Suche fort; aber ohne Erfolg durchstreiften sie das Schilfgebiet und die Ufer des Sees. Mittag war längst überschritten. Drückend brannte die Sonne, als sie zum >Mas< zurückkehrten. Tante Justine war bereits von der Weide heimgekommen, nachdem sie beschlossen hatte, >Caraque< am nächsten Sonntag in Aigues-Mortes kämpfen zu lassen, um seine Angriffslust zu dämpfen. >Glanzsterns< Unfall machte allen zu schaffen, und beim Essen herrschte bedrückende Stille.
    Als die Hitze nachließ, nahmen Manuel und Pierre die Suche wieder auf; auch Mireille, Alain und Karin beteiligten sich. Bei Einbruch der Nacht mußten sie sich in das Unvermeidbare schicken: >Glanzstern< blieb unauffindbar!
    Karin konnte sich nach diesem anstrengenden Tag kaum noch auf den Beinen halten. Beim Abendessen nahm sie nur ein paar Bissen zu sich. Das Bild des verletzten Hengstes, der in den Sümpfen umherirrte, ging ihr nicht aus dem Sinn. Schlecht gelaunt stellte Tante Justine das Fernsehgerät ab und vergrub sich in eine Zeitung. Mireille, die gerne den Film mit Alain Delon gesehen hätte, schmollte. Die Nacht war warm, erfüllt vom Schwirren der Insekten und vom Säuseln des Windes.
    Alain war gleich nach dem Essen in sein Zimmer hinaufgegangen. Als er wieder auftauchte, hatte er sich ein anderes Hemd und saubere Jeans angezogen.
    »Wo willst du hin?«
    »Ins Pinedo«, brummte er.
    »Was ist das?« wollte Karin wissen.
    »Eine Diskothek in Saintes-Maries«, erklärte Mireille, deren Gesicht sich erhellt hatte. »Wollen wir nicht alle hingehen? Das bringt uns auf andere Gedanken.«
    Karin schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe keine Lust. Geh du nur!« fügte sie hinzu, als sie Mireilles Enttäuschung sah. »Entscheide dich rasch«, sagte Alain zu seiner Schwester. Ich warte nämlich nicht gerne!«
    Er ging zur Tür. Tante Justine hob den Kopf nicht von der Zeitung.
    »Moment«, rief Mireille. »Ich ziehe mir nur ein anderes Hemd an und komme mit.«
    Karin folgte Alain, als er hinausging, und lehnte sich mit dem Rücken an die Hauswand. Knatternd ließ er den Motor seines Mopeds an. Die Luft roch nach Geißblatt

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