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Pferde, Wind und Sonne

Pferde, Wind und Sonne

Titel: Pferde, Wind und Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cescco
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Lastwagen. Die Gardians hatten Mühe, sie in den Gang zu treiben. Jackie, einer der jüngsten Gardians, saß rittlings oben auf den Brettern des Laufstegs und bewegte eine Stange, an der ein rotes Tuch befestigt war. Es dauerte eine Weile, bis >Blitz< in den Gang stürzte und die Rampe hinaufpolterte. Krachend fiel die Klappe zu, und der Stier war eingeschlossen.
    Tante Justine lachte. »Er hat gut mitgemacht. Und jetzt >Caraque    >Caraque< machte nicht so ohne weiteres mit. Mit erhobenen Hörnern schritt der mächtige schwarze Stier in seinem Pferch umher. Ein Zucken überlief das glänzende Fell. Schnaubend stand er dicht an der Barriere, daß Karin seinen warmen Atem im Gesicht spürte. Plötzlich bemerkte er das rote Tuch, das Jackie hin und her schwenkte. Blindlings raste er darauf zu und stürzte sich in den offenen Laufsteg hinein. Die Planken dröhnten, als >Caraque< über die Rampe in den Lastwagen stürmte. Abermals fiel die Klappe zu. Das gereizte Tier war in die Falle gegangen! Man hörte den Stier wütend auf stampfen und mit den Hörnern gegen die Wände des Lastwagens stoßen.
    Die Gardians wischten sich den Schweiß von der Stirn, während die Fahrer eine Zigarette rauchten, bevor sie sich ans Steuer setzten. >Blitz< verhielt sich ruhig, aber der Wagen, in dem >Caraque< untergebracht war, zitterte von dumpfen Stößen.
    »Wenn der nur nicht den Wagen zertrümmert«, meinte Mireille. Alain stopfte sich grinsend einen Kaugummi in den Mund. »Stell dir vor, er ginge auf die Touristen los! Olé, das wäre eine Corrida!«
    Die Gardians, von ihrer Arbeit mit den Stieren völlig in Anspruch genommen, hatten >Glanzstern< fast vergessen. Als Karin sich zaghaft bei Manuel erkundigte, ob die Suche heute noch fortgesetzt würde, zuckte er die Schultern.
    »Keine Angst, Kleine«, antwortete er, »er wird schon durchkommen. Gebrochen ist das Bein nicht, sonst hätten wir ihn schon längst gefunden.«
    »Der Bursche ist verdammt zäh«, fügte Pierre hinzu, »es ist nicht das erste Mal, daß er sich verletzt hat.«
    Für den Rest des Tages wurde Karin von widersprüchlichen Empfindungen hin und her gerissen, bei denen Ungewißheit und Unruhe vorherrschten. Alain war nach Saintes-Maries-de-la-Mer gefahren, um einen Freund zu besuchen. Da es sehr heiß war, schlug Mireille vor, an den Strand zu gehen. Sie liehen sich Regines Fahrrad aus und fuhren los. Unterwegs wechselten sie sich gegenseitig ab: während die eine die Pedale trat, saß die andere auf dem Gepäckträger. Am Fuß der Dünen ließen sie das Rad zurück und stapften, die Sandalen in der Hand, barfuß durch den Sand. Der Strand war menschenleer. Nachdem sie gebadet hatten, streckten sie sich auf dem warmen, muscheldurchsetzten Sand aus. Wind strich über ihre feuchte Haut. Das Rauschen der Wellen und der Schrei einer Möwe waren die einzigen Geräusche. Karin konnte sich nicht vorstellen, daß sie nur wenige Kilometer vom sommerlichen Touristenrummel entfernt waren.
    »Baden hier eigentlich nie Leute?« fragte sie verwundert. »Selten«, antwortete Mireille. »Der Zutritt zu diesem Strand ist verboten, weil das Baden zu gefährlich ist.«
    »Wir sind aber hier durchgekommen, als wir >Glanzstern< verfolgten!« Es kam Karin eigenartig vor, den Namen des Hengstes auszusprechen.
    »Man muß das Gebiet schon gut kennen«, erklärte Mireille. »Sonst ist es gefährlich. Vor zwei Jahren ist ein alter Mann in den Sumpf geraten und ertrunken. Seine Leiche fand man erst, als der Teich ausgetrocknet war. Sie war schwarz und ledern wie eine Mumie.« Schläfrig rieb sie sich mit Sonnenöl ein. »Ich bin gerne hier. Das Wasser ist viel sauberer als in Saintes-Maries; außer wenn es stürmt, dann werden Konservenbüchsen, ölverschmierte Bretter und anderer Dreck hier angeschwemmt.« Karin dachte immer noch an >Glanzstern<. Ihr Geheimnis belastete sie und verdarb ihr die Stimmung. Aber sie konnte sich nicht entschließen, mit Mireille darüber zu reden.
    Auch an diesem Abend fand Karin keinen Schlaf. Der Mond leuchtete wie in der vergangenen Nacht. Ein leichter Wind hatte sich erhoben, die Schatten der Pinien bewegten sich auf der gegenüberliegenden Wand, das Schilf rauschte. Karin lauschte in die Nacht hinaus. Gegen Mitternacht stand sie auf und trat ans Fenster. Sie wartete lange vergeblich. Der Wind roch nach Harz» warmer Myrte und Salz. Auf dem Hof war alles still. Die Pferde dösten unter dem Schutzdach. Karin legte sich wieder ins Bett. Erleichtert und

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