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Pferde, Wind und Sonne

Pferde, Wind und Sonne

Titel: Pferde, Wind und Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cescco
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die Nacht hinein aufzubleiben, und noch weniger, so viel Wein zu trinken. Daß Alain und Mireille im Gegensatz zu ihr sehr vergnügt aussahen, verstimmte sie noch mehr; die beiden mußten einen Straußenmagen haben.
    Die Geschwister saßen allein am Tisch; Tante Justine hatte sich schon in aller Frühe zur Weide begeben. Karin rang sich ein Lächeln ab. Sie trank den Kaffee ohne Milch und ohne Zucker. Mireille reichte ihr über Alains Kopf hinweg den Brotkorb. »Langes Aufbleiben scheint dir nicht gerade zu bekommen«, sagte Mireille lachend.
    »Sie hat einen Kater«, stellte Alain fest. Mit zwei Bissen verschlang er sein Brötchen; dann reckte er sich, daß seine Gelenke knackten. »Ich dagegen bin in Hochform! Als Beweis dafür werde ich >Trotzkopf< satteln und >Glanzstern< aufspüren.« Mireille setzte ihre Tasse mit Schwung auf den Tisch. »Du denkst wohl nicht daran, deine blöde Hetzjagd fortzusetzen! Tante Justine wird dir den Stiefel an den Hintern pfeffern, wenn du noch einmal damit anfängst!«
    »Vergiß nur ja nicht, daß sie ihn mir versprochen hat«, sagte Alain.
    »Das dürfte sie längst bereut haben, nachdem du wie ein besoffener Gaucho durch die Gegend gerast bist!« Mireille hielt ihm drohend den Finger unter die Nase. »Ich werde dich im Auge behalten. Wenn du den Idioten spielst, sage ich es Tante Justine.«
    »Dumme Kuh!«
    »Blöder Dickschädel!«
    Während sich die beiden zankten, blies Karin nachdenklich in ihren Kaffee. Unvermittelt hob sie den Kopf. »Also gut, dann komme ich auch mit!«
    Die Zwillinge schwiegen plötzlich, verwirrt über die sonderbare Entschlossenheit, die auf Karins Gesicht zu lesen war. »Mädchen sind schlimmer als Kletten!« stieß Alain hervor und stieß krachend seinen Stuhl zurück. »Macht euch nur keine Illusionen. Mit >Trotzkopf< schaffe ich mir euch schnell vom Halse.«
    »Warte«, rief Mireille, »deine Tasse und den Teller? Glaubst du etwa, Regine sei dazu da, dich zu bedienen?«
    Wütend nahm Alain das Geschirr und lief zur Küche. Kurz darauf knallte die Haustür ins Schloß.
    »Ein reizender junger Mann!« sagte Mireille seufzend.
    »Kannst du ihn nicht davon abhalten, >Glanzstern< einzufangen?« stotterte Karin.
    Mireille schüttelte den Kopf. »Mach dir bloß keine Sorgen! Sogar auf drei Beinen wird er sich von niemandem fangen lassen.« Sie blickte ihre Freundin betroffen und beunruhigt an. »Du bist ja ganz grün im Gesicht. Wenn dir der gestrige Abend so schlecht bekommen ist, solltest du heute fasten.«
    Karin war ganz schlecht beim Gedanken, daß Alain den verletzten Hengst wieder durch die Gegend hetzte. Mireille bemerkte die Unruhe in Karins Gesicht.
    Die Pferde wurden gezäumt und gesattelt. Alain schien verstimmt, aber die beiden Mädchen taten so, als merkten sie es nicht. Der Tag versprach schön zu werden; ein sanfter Nordwind kräuselte das Wasser auf den Seen. Die Binsen glänzten. Alain ritt, ohne den Blick vom Boden zu heben, und untersuchte das Gelände ringsum, so weit sein Auge reichte. Einmal hielt er an und stieg vom Pferd, um einige Spuren näher zu prüfen. Als er sich wieder in den Sattel schwang, fing er Karins ängstlichen Blick auf.
    »Weißt du«, sagte er, »gewöhnlich bilden die Pferde eine Gruppe. Die Touristen dagegen reiten immer einer hinter dem anderen, voran der Fremdenführer. Wenn sich die Fußspur eines Pferdes über eine längere Strecke hinzieht, ist es ein Einzelgänger oder das Leittier einer Herde. Wenn die Spuren sehr deutlich eingedrückt sind, besteht die Möglichkeit, daß sie von >Glanzstern< stammen. Für ein Camargue-Pferd ist der Hengst nämlich sehr schwer.«
    Er verstummte; offenbar erwartete er eine Antwort, die aber ausblieb, und fügte stolz hinzu: »Tante Justine sagt, daß ich das Zeug zu einem guten Gardian hätte, weil ich über Beobachtungsgabe verfüge.«
    Mireilles ersticktes Lachen schallte ihnen im Rücken. »Sie hat aber hinzugefügt, daß es dir noch immer am Wesentlichen fehlt: an Geduld nämlich!«
    Alain zuckte die Schultern. »Ob mit oder ohne Geduld, ich werde >Glanzstern< schon mürbe machen!«
    »Wenn es nur er nicht ist, der dich mürbe macht«, sagte Mireille. Die Hände in den Taschen, pfiff Alain vergnügt vor sich hin, doch sein Gesicht hatte diesen eigensinnigen Ausdruck, den Karin bereits kannte. Er war sicher entschlossen, die erstbeste Gelegenheit wahrzunehmen, um sie abzuhängen, aber sie war ebenso entschlossen, ihn nicht entkommen zu lassen.
    Es verging eine gewisse

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