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Pferde, Wind und Sonne

Pferde, Wind und Sonne

Titel: Pferde, Wind und Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cescco
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schrie auf. Mit zusammengebissenen Zähnen holte Mireille das nasse, schwere Seil wieder ein. Dann warf sie abermals, wobei sie sich bemühte, ihre Bewegungen besser zu berechnen. Diesmal schlug der Seden genau in Reichweite von Alains Hand auf die Oberfläche des Sees. Der Junge ergriff das Seil und hielt es krampfhaft fest. Mireille schwankte unter dem Gewicht und wäre beinahe kopfüber ins Wasser gefallen, aber Karin umklammerte sie und hielt sie zurück.
    »Zieh! Hilf mir... zieh!« stieß Mireille hervor.
    Gegen den Boden gestemmt, zogen die beiden Mädchen mit vereinten Kräften - Alain schien eine Tonne zu wiegen! Zentimeter um Zentimeter entrissen sie seinen Körper dem stinkenden Morast. Unter Zischen und Plätschern löste er sich so plötzlich aus dem Sog, daß die beiden Mädchen fast auf den Rücken gestürzt wären. Mit lahmen Armen, bis auf die Haut durchnäßt, zogen sie keuchend das Seil zurück, während Alain, bis zum Gürtel mit Schlamm bedeckt, sich aufrichtete und dem Ufer zuwankte. Kurz darauf sanken alle drei völlig erschöpft auf der sandigen Böschung nieder. Alain atmete stoßweise. Er stank so sehr nach dem Morast, daß sich Karin der Magen umdrehte. Eine Weile lang sagte keiner ein Wort. Man hörte nur ihre keuchenden Atemzüge und den Wind, der durch das Schilf strich. Der See glänzte in der Sonne.
    Schließlich strich sich Mireille die Haare zurück, die an ihrem schweißbedeckten Gesicht klebten, und sagte nur ein Wort zu ihrem Bruder: »Schafskopf!«
    Alain fuhr sich mit dem Ärmel über die laufende Nase. »Ich konnte doch nicht wissen...«
    »Ich hatte dir gesagt: >Gib acht auf den Sumpf!<« Je mehr Mi' reille zu Atem kam und die Panik von ihr wich, um so erbitterter wurde ihre Stimme. »Jeder konnte die Gefahr sehen, aber du… du hattest nur deinen Gaul im Kopf. Dreifacher Idiot! Ich weiß nicht einmal, ob dir klar ist, daß wir dir das Leben gerettet haben.«
    »Weißt du...«, stammelte er.
    »Halt die Klappe! Erspar dir weitere Worte!«
    Beleidigt und wütend ließ Alain den Kopf hängen. Das schlammverschmierte Gesicht sah wie eine rissige, gräuliche Maske aus. »Die Pfähle stehen an der falschen Stelle«, verteidigte er sich trotzig. »Das muß man Tante Justine sagen.«
    »Tante Justine! Sie wird dich ohrfeigen, wenn sie erfährt, was du wieder geleistet hast.«
    »Bestimmt nicht«, widersprach er. »Sie wird froh sein, daß ich noch am Leben bin.«
    »An deiner Stelle wäre ich da nicht so sicher.«
    Sie blickten einander feindselig an. Plötzlich löste sich die Spannung durch ein unbeherrschtes Gelächter. Durchnäßt, schmutz -und sandverklebt boxten sie sich gegenseitig. Karin lachte mit ihnen so hemmungslos, daß sie Tränen in den Augen hatte. Sie war unfähig, auch nur ein Wort zu sagen, und zitterte immer noch vor Erregung und Schwäche.
    Unweit der Stelle, wo sie saßen, zeichneten sich im feuchten Sand deutlich >Glanzsterns< Hufspuren ab. Mit nachdenklich gekrauster Stirn überlegte Karin, wie sie den Hengst ausfindig machen konnte, um ihn von Alains Seil zu befreien.
     

Neuntes Kapitel
     
     
     
    Verschmutzt, zerzaust, von Fliegen umschwärmt, kehrten sie heim. Als Regine sie absitzen sah, riß sie die Augen auf und stieß einen Schreckensschrei aus.
    »Himmel! Wo kommt denn ihr her?«
    »Aus dem Sumpf«, antwortete Mireille.
    Alain schwieg verschlossen. Es war ihm peinlich, über sein wenig heldenhaftes Abenteuer zu reden. Schwerfällig schritt er auf das Haus zu, aber Regine trat ihm energisch in den Weg.
    »Nur das nicht! Du stinkst wie eine Jauchegrube! Zieh zuerst das Zeug aus und wasch dich an der Pumpe, bevor du das Haus betrittst!«
    »Ich werf’ dir eine Hose hinunter«, sagte Mireille grinsend. Die beiden Mädchen duschten und wuschen sich die Haare. Ihre Kleider warfen sie in die schmutzige Wäsche. Sie hatten eben das Badezimmer von Sand und Lehm gereinigt, als Hufschläge im Hof Tante Justines Rückkehr anzeigten. Beim Betreten des Hauses stieß sie mit Alain zusammen, der ihr in sauberen Jeans und Hemd mit verlegener Miene den Weg freigab. Seine Haare waren noch feucht, und in der Hand hielt er ein Badetuch.
    Tante Justine runzelte die Brauen. » Was ist denn mit euch wieder los? Eure Pferde sind schmutzig, daß man Angst kriegt, und stinken auf zehn Meter Entfernung gegen den Wind!«
    Regine kam mit einer Schüssel Oliven aus der Küche. Sie brach m einen entrüsteten Redeschwall aus. »Wenn Sie erst gesehen hätten, in welchem Zustand

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