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Pferde, Wind und Sonne

Pferde, Wind und Sonne

Titel: Pferde, Wind und Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cescco
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nicht sehr tief. Alain tauchte hustend und spuckend auf, ohne den Seden aus den Händen zu lassen. >Glanzstern< flüchtete durch das aufsprühende Wasser und zog den Jungen hinter sich her. Dieser klammerte sich an das Seil, das sich immer enger um den Hals des Pferdes zusammenzog. Umsonst versuchte >Glanzstern< durch Ausschlagen und wütende Sprünge, sich von der lästigen Fessel zu befreien. Instinktiv galoppierte er auf die Mitte des Sees zu, um ins tiefere Wasser zu gelangen. Alains Kopf tauchte unter. Benommen, Nase und Mund voll Salzwasser, rang er verzweifelt nach Atem und krampfte sich an das Seil, um es nicht loszulassen.
    »So ein Wahnsinn! Er wird noch ertrinken!« schrie Mireille. Hin und her geschleudert, drehte Alain sich mehrmals um sich selbst. Vergeblich versuchte er, seinen Kopf über Wasser zu halten. Er schnappte nach Luft und schluckte Wasser. Ein glühendes Eisen schien seine Lungen zu durchdringen. Der Schmerz betäubte ihn fast. Es war, als ob sich der ganze Teich in der Luft drehe und auf ihn herabstürze. Das Seil entglitt ihm. Im Augenblick, als >Glanzstern< sich frei fühlte, galoppierte er noch rascher davon. Mit wenigen Sprüngen erreichte er das Ufer. Während er sich mit dumpfem Hufschlag entfernte und das von Schlamm verdreckte Seil nachschleifte, empfand Karin ein tiefes Gefühl des Triumphes.
    Alain, der am Grund Fuß gefaßt hatte, keuchte und krümmte sich; er taumelte aufs Geratewohl vorwärts und wühlte den Schlamm auf. Als wieder Luft in seine Lungen drang, fühlte er sich besser. Zornig schüttelte er die Faust in die Richtung, in welche >Glanzstern< verschwunden war. Nur der Stolz hinderte ihn, vor Enttäuschung zu heulen.
    Mireille war zu Boden gesprungen, um >Trotzkopf< zurückzuholen, der die Zügel schnaubend hinter sich nachschleifte. Karin ließ sich aus dem Sattel gleiten. Ihre Beine zitterten so stark, daß sie beinahe hingefallen wäre.
    »Halte die Pferde fest!« rief Mireille und warf ihr die Zügel zu. Sie hielt beide Hände wie einen Trichter vor den Mund und rief ihrem Bruder zu: »Die Pfähle! Links von dir!«
    Hustend und schnaufend deutete Alain ihr an, daß er es verstanden hatte. Das Wasser reichte ihm bis an die Hüften, als er auf das Ufer zustapfte. Plötzlich spürte er, daß ein Bein einsank. Ein unwiderstehlicher Sog zog ihn in den saugenden Morast. Alain hielt den Atem an. Nur nicht den Kopf verlieren! Er kannte sich in dieser Gegend genügend aus, um sich über die Gefahr im klaren zu sein. Die Pfähle, die auf den Sumpf aufmerksam machten, waren vor zwei Jahren angebracht worden, nachdem man die Leiche eines alten Mannes gefunden hatte; aber inzwischen mußte die Strömung den Schlammboden verlagert haben.
    Alain sah Mireille mit den Armen fuchteln. Sie stand bis zu den Knien im Wasser und deutete ihm an, daß der Boden unter ihr fest war.
    Langsam, mit äußerster Vorsicht versuchte Alain, sein Bein hochzuziehen, doch der Stiefel blieb im Morast stecken, und trotz aller Anstrengung gelang es ihm nicht, ihn herauszuziehen. Hingegen war der Fuß frei. Sorgsam darauf bedacht, das Gleichgewicht nicht zu verlieren, vermied er es, dort aufzutreten, wo der Stiefel versunken war, und versuchte, über die gefährliche Stelle hinwezuwaten. Aber das Unglück verfolgte ihn: dumpf gurgelnd gab der Boden unter dem Gewicht seines Körpers nach. Blasen stiegen an die Oberfläche des Wassers. Mit beiden Beinen versank Alain bis zu den Schenkeln in der gefährlichen Masse. Sein Herz klopfte zum Zerspringen, und kalter Schweiß brach ihm aus allen Poren.
    »Ich versinke!« schrie er voller Schrecken.
    »Meinen Seden, schnell!« keuchte Mireille aufgeregt, indem sie sich Karin zuwandte.
    Karin, die sich der Gefahr bewußt war, wurde von Panik ergriffen. Ihre ungeschickten, zitternden Finger hatten Mühe, den Seden, der an >Irrlichts< Sattelknopf befestigt war, aufzuknoten. Sekunden später war sie im Wasser, und Mireille riß ihr den Seden aus der Hand.
    »Beeil dich doch!« schrie Alain.
    Schon bis zu den Hüften eingesunken, versuchte er, sich regungslos zu verhalten, um vom Sog nicht noch mehr erfaßt zu Werden. Vorsichtig tastend suchte Mireille nach festem Grund unter den Füßen. Nachdem sie den Seden aufgerollt hatte, schwang sie ihn in die Luft, wobei sie mit der Schlinge genau auf ihren Bruder zielte. Alain hob die Arme, um den Seden aufzufangen, aber kurz vor seinen Händen fiel er klatschend ins Wasser. Alain spürte, wie ihn der Sog tiefer zog, und

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