Pferdekuss
piafnerte und grunzte sich mit gewölbtem Hals am Strick des Züchters von schräg vorn an die Stute heran.
Herr Epple trat besorgt vom einen Bein aufs andere. Siglinde knabberte missmutig an der Unterlippe, und ich hielt mich im Hintergrund auf. Auf der anderen Seite des Deckplatzes waren vier hübsche drei- oder vierjährige Trakehnerhengste auf der Koppel erschienen und hatten sich am Zaun aufgereiht. Dies gab Palas Gelegenheit zu demonstrieren, dass er den Platz unbestritten beherrschte.
Fatimah behielt ihr friedliches Paarungsgesicht bei, als Palas Nüstern an Nüstern den ersten Kontakt herstellte. Er beschnoberte Schultern und Flanke und näherte sich nicht ungeduldig, aber bestimmt ihren blitzenden Genitalien. Sie stand wie ein Lamm. Palas trat hinter sie und trank ihren Geruch und ließ ihn mit erhobenem Kopf und aufgestülpter Oberlippe genüsslich durch den luftdicht verschlossenen Nasenraum rinnen.
»Er flehmt, er flehmt!«, rief Herr Epple beinahe erstickt vor Erregung. »Und jetzt schachtet er aus.«
Nicht nur Palas hatte seinen Begattungsrüssel ausgefahren, sondern auch die jungen Trakehnerhengste am Zaun. Als Palas grunzend aufsprang, die Stute zwischen die Vorderbeine klemmte und sich mit lustvoll entblößten Unterkieferzähnen in ihrer Mähne verbiss, begannen die Junghengste am Zaun, den Schlauch gegen den Bauch zu schlagen, und samten ab. Was in der Maidstute vor sich ging, die ihre vier Hufe in den Boden stemmte, wissen wir nicht. Palas rammelte grunzend und fellzwickend.
Hajo legte die Hand an den Schlauch des Hengsts, um zu fühlen, wann er absamte, und grinste. Siglinde wandte sich augenblicklich ab. Fast schien es mir, als hätte sie dabei mit dem Fuß aufgestampft. Was für ein gemeines Spiel spielte dieser Hauptbereiter da eigentlich mit seiner Chefin? Oder spielte er es auch schon mit mir, dieser Herr der Vermehrungskraft?
Siglinde nahm mich am Arm und zog mich um die Ecke auf den Hauptweg, der das Gut mit den äußersten Weiden im Norden verband. »Manchmal könnte ich ihn«, keuchte sie, »wenn er nicht so genial wäre. Er hat Palas auf einem verrotteten Bauernhof in Ungarn entdeckt. Als er bei uns anfing, erzählte er mir, dass er ein Fohlen kennt, das etwas für uns wäre, einen Gazal. Wir sind hin und haben ihn gekauft, halb verhungert und struppig, und haben ihn gekört. Inzwischen erreichen uns Anfragen aus Amerika wegen seines Samens. Bei guter Fütterung kann so ein Hengst hundertmal im Jahr decken …«
In freier Wildbahn schaffte er gerade mal zwölf Stu ten. Siglinde glitzerte das Geld in den Augen.
»Arabal war auch so einer, auch so eine Entdeckung Hajos. Ein Mu’niqi, hat er immer gesagt. Hässlich wie die Nacht, aber schnell. Seine Fohlen würden in Iffezheim gewinnen. Darauf hätte er sein letztes Hemd verwettet. Aber … tja … den hat uns, wie gesagt, vor drei Wochen jemand vergiftet. Aus der Traum. Hajo versteht sein Sach, aber er ist ein Träumer.«
Das schien mir knapp daneben. Hier tobte nur der uralte Machtkampf zwischen Mann und Frau darum, wer die biologische Reproduktion in den Fingern behielt. Siglinde beanspruchte auch die Verfügungsgewalt über den genetischen Reichtum des Gestüts, nachdem sie als einziges Kind Friedrich Gallions die ökonomische Leitung so gut wie sicher hatte. Leider hatte sie einen genialen Zuchtwart, der nicht nur wusste, welches Pferd mit welchem zu paaren war und was dabei herauskam, sondern auch, dass Siglinde ihn wollte. Er ließ sie an langer Longierleine um sich herumtraben und hielt sie mit der Peitsche auf Abstand. Bevor er seine Chefin nahm, muss te sie sich seinen Wünschen beugen lernen. Das alte Unbehagen stellte sich ein. Ich wusste es wieder. Wir waren auf dem Gallion’schen Hof. Da war es nie um etwas anderes gegangen als darum, wer die Gewalt hatte über die Samentöpfe.
»Und wie«, fragte ich, »wie wurde dieser Hengst Ara bal vergiftet?«
»Mit Eibe, am helllichten Tag auf der Weide. Es war …«
Ein fürchterlicher Schrei gellte. Siglinde fand schnel ler als ich die Richtung und rannte los. Ich hinterher. Scheiß Pomps! Sie stieß die Schiebetür zum Schulstall auf.
Im jähen feuchten Dunkel des alten Gebäudes mit seinem geschwärzten Kopfsteinpflaster im Stallgang leuchteten irre die rosa-hellblauen Teenager-Klamotten von drei Mädchen auf, zwei völlig verscheucht, die dritte kreischend und um sich schlagend, sobald sich eine ihrer Freundinnen näherte.
Die Pferde kreiselten in ihren Boxen und
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