Pferdekuss
orientalisches Parfüm wehte grimmig an mir vorbei, als sie ihrem Pferd zur Ars hinab folgte. Dort graste Falko an der Böschung.
Plötzlich jedoch warf er sich auf, hob den Kopf, spitz te die Ohren, richtete die Augen in die Ferne und witterte in meine Richtung. Zwei der anderen Pferde taten dasselbe. Pferde reagieren auf Silhouetten. Wenn eines sich aufwirft, wollen die anderen wissen, was seine Aufmerksamkeit erregt. Meine Gestalt in Jeans und Jackett entsprach nicht der, die für die Tiere Indiz für reiterliche Interessen war. Das mochte kurzzeitig Neugierde auslösen. Während die anderen Pferde alsbald die Schnauzen wieder ins Gras senkten, musste Falko erneut losstürmen, um seiner Halterin zu entgehen, die bereits gefährlich nahe gekommen war.
Er inszenierte ein paar Hengstsprünge und schwenkte dann von der Ars herauf in die Mitte der Weide. Er kam auf mich zu, die Nüstern geweitet, die Antilopenohren nach vorn gerichtet, den Wind in den Stirnhaaren. Hatte er dabei die Nüstern drohend verzogen oder nicht? Ehe ich mich entscheiden konnte, ob und wie ich auf einen Angriff reagieren sollte, fiel er in Trab, stoppte abrupt und blieb stehen, keine zwei Meter von mir entfernt. In den Nüstern gluste es rosa.
Mein Puls beschleunigte. Nach bald fünfzehn Jahren Umgang mit Pferden hatte ich aufgehört, an die märchenhafte Freundschaft zwischen Mensch und Pferd zu glauben. Sie ertrugen uns nur, weil wir sie einsperrten und dann kamen, um sie aus den Boxen zu erlösen. Wie jede Geisel waren sie ihren Peinigern dankbar, wenn es in der 24-Stunden-Einsamkeit Abwechslung und kleine Freuden gab. Ein momentan freies Pferd wie Falko muss te den Kontakt zu mir nicht suchen. Das gab es nicht. Und doch stand der Araber keine zwei Meter von mir entfernt und blähte die Nüstern. Was hatte ich ihm denn zu bieten?
Aber klar doch: eine qualmende Zigarette. Araberpferde liebten Tabakrauch. Ich musste lachen. Falko spielte mit den Ohren.
»Nimm ihn!«, schrie Falkos Herrin, von der Ars herbeistapfend. »Halt ihn fest!«
Das nun wieder nicht. Der Versuchung galt es zu widerstehen. Erstens reagierte ein Pferd immer schneller, als ein Mensch nach seinem Halfter fasste, zweitens war ich zu eitel, um mich Falko gegenüber mit seiner Fängerin gemeinzumachen. So kam es, dass ich mich just in dem Moment abwandte, als auch Falkos Muskeln zuckten, um mir auszuweichen. Gleichzeitig setzten wir beide uns in dieselbe Richtung in Bewegung. Synchrone Bewegungen waren wiederum ein Grundmuster pferdemäßigen Verhaltens. Selbst im rasenden Galopp stimmten zwei Pferde Schulter an Schulter Tempo und Richtung aufeinander ab. Der Rangniedere blieb dabei eine Nasenlänge hinter dem Ranghöheren. Zufällig ging ich einen halben Meter vor Falko. Als ich von der Geraden abwich, kam er mit. Ich blieb stehen, er auch. Ich machte zwei Schritte, er folgte. Als ich dann erneut stoppte, stippte er mit den Nüstern gegen mein Schulterblatt und schnaufte.
Ohne mich umzudrehen und ohne ihn anzusehen, langte ich von unten an seinem Hals entlang nach dem Halfter. Er zuckte leicht mit dem Kopf nach oben, akzeptierte aber.
Mir klopfte das Herz. Kein Pferd hatte mir je Gelegenheit zu einem solchen Kunststück gegeben. Die wahren Heldentaten ereigneten sich unauffällig. Ein Kenner bewundert nie den Reiter, der einen steigenden Hengst bändigt, sondern immer nur den, dessen Umgang mit dem Vollblüter von langweiliger Harmonie ist.
»Machen Sie die Zigarette aus«, pflaumte Falkos Her rin. »Das ist Tierquälerei.« Sie schob Falko eine Möhre ins versonnene Maul, schimpfte ihn Schlawiner und Lump und hakte ihm so grob den Führstrick in den Ring am Halfter, dass er den Kopf hochwarf und drohend Nüstern und Lippen verzog. Dabei klopfte sie ihm klatschend auf den Hals. Hätte sie mir solche Zärtlichkeiten versetzt, ich hätte ausgeschlagen, aber Falko war offensichtlich gutmütig und gewillt, die unmotivierten menschlichen Gesten als nicht feindselig zu ignorieren.
Ich trat die Kippe im Weidenboden aus, während die Dame ihren Wallach am gespannten Strick hinter sich her zum Koppeltor zerrte wie einen bockigen Esel, und wandte mich der Nachtkoppel zu.
Aus dem Gebüsch am Zaun trat mir Hajo entgegen. »Da haben Sie Falko aber keinen Gefallen getan.« Er lächelte gemein. »Wo wollen Sie denn hin?«
»Jemand sagte mir, Siglinde sei mit Schimmel auf der Nachtkoppel.«
»Da hat Sie aber jemand an der Nase herumgeführt. Sie ist mit der Kommissarin beim alten
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