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Pferdekuss

Pferdekuss

Titel: Pferdekuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Ich folgte ihm nun doch, allerdings mit Sicherheitsabstand. Wir stiegen durch die Latten und umrundeten das Gebüsch, das die Wasserweide von der Nachtkoppel trennte. Dahinter fiel das Gelände sacht zur Ars ab, die aus Vingen herantrullerte. Im Schatten einiger Ebereschen dösten drei Pferde, der riesige braunschwarze Hannoveraner Prinz, der kleine gescheck te Isländer Sascha und die fuchsfarbene Trakehnerstute He xe. Drei Rebellen, die bockten, bissen und schlugen. Ich bedachte, wie Falko vorhin abgeführt worden war.
    »Warum proben sie nicht alle den Aufstand, so wie die da?«
    »Weil sie dumm sind wie Kühe«, sagte Hajo prompt.
    »Weil sie ihren Vorteil erkennen«, widersprach ich. »Wir füttern sie.«
    »Dann sind sie wirklich dumm, denn in der Steppe stehen sie im Fressen, da gibt es immer was, aber wir füttern sie nur morgens und abends. Wo ist da der Vorteil?«
    »Sie haben ein Dach überm Kopf.«
    »Und schlagen sich die Gelenke an der Stallwand auf vor lauter Langeweile.«
    Ich stöhnte. »Aber Ihnen macht Ihr Job so richtig Spaß, ja?«
    »Ich habe nichts anderes gelernt.«
    »Übrigens«, sagte ich, »ich weiß, wer Arabal vergiftet hat.«
    »So?«
    »Vanessa.«
    »Was Sie nicht sagen.«
    »Nun«, sagte ich, »Spaziergänger waren es nicht. Ums Gestüt herum wächst keine Eibe. Spaziergänger pflegen Gras am Zaun auszureißen, wenn sie Pferde sehen. Oder sie bringen Brot und Zucker von zu Hause mit.«
    »Schlimm genug. Aber ich habe nie behauptet, dass es Spaziergänger waren. Welches Pferd frisst schon einfach Eibe aus der Hand? Jemand hat Arabal die Eibennadeln unter den Hafer gemischt. Ich habe Haferkörner im Gras gefunden, dort, wo er verendet ist. Arabal war gierig auf Hafer, weil er nur ganz wenig bekam.«
    »Wusste Vanessa das?«
    Er zuckte erstaunlich desinteressiert mit den Schultern.
    »Interessiert es Sie denn nicht, wer Ihr Pferd vergiftet hat?«
    »Arabal war nicht mein Pferd.«
    »Aber Sie hatten eine besondere Beziehung zu ihm.«
    »Ich habe zu jedem Pferd eine Beziehung, das ich ausbilde. Er war ein Hadban, wie man in der früheren Sowjetunion die Mu’niqi nannte, falls Sie wissen, was das ist.«
    »Nein.«
    »Ein langgestreckter arabischer Rennpferdtyp, Doppelgänger des englischen Vollbluts.«
    »Ah, richtig. Siglinde wird nicht müde zu betonen, dass Sie von einer großen Rennpferdezucht geträumt ha ben. Arabal war Ihr geistiges Eigentum.«
    »Hat Sie sonst noch was gesagt, außer, dass ich ein Träumer bin?«
    Ich spürte seine Verletzung, ohne zu verstehen, warum und wie Siglinde ihn verletzt hatte, und fischte das Ei benzweiglein aus meinem Jackett. »Jedenfalls habe ich das hier in Vanessas Schließfach gefunden.«
    Er gab keinen Ton von sich.
    »Warum hat Vanessa das getan? Warum hat sie Ihren Hengst vergiftet?«
    »Sie wollen mich wohl unbedingt ins Gefängnis bringen.«
    »Ich fürchte, Sie verwechseln da was«, sagte ich und steckte das Zweiglein wieder ein. »Ich habe diesen Zweig nicht in Vanessas Schließfach getan, sondern ihn dort nur herausgenommen. Deshalb weiß auch die Polizei nichts davon, noch nicht. Vielleicht werden sie es auch nie rauskriegen. Aber was Sie in Marbach angestellt haben, das werden sie rauskriegen.«
    Genau das hatte ich eigentlich hier nicht mit ihm besprechen wollen. Vielmehr war ich losgezogen, um Siglinde davor zu warnen, so gegen den Hauptbereiter aufzutrumpfen.
    »Aha. Einmal ein Dieb, immer ein Dieb«, sagte er.
    »Man hat Sie nicht wegen Diebstahls rausgeworfen. Und hinterher haben Sie eine Scheune angezündet.«
    »Warum sollte ich. Für einen wie mich gibt es überall Arbeit.«
    »Sie haben ein Mädchen sexuell belästigt. Seine Eltern hatten Glück: es kam mit dem Leben davon.«
    »Ach was! Sie war über zwanzig, und sie wollte was von mir, nicht ich von ihr. Darum hat sie mich denunziert.«
    »Das können Sie Ihrer Großmutter erzählen oder meiner Mutter!«
    »Jetzt passen Sie mal auf. Ich bin Sodomit. Ich reite nur Stuten.«
    Ich besah mir den leichtgebauten Mann. »Da brauchen Sie aber einen Stuhl, um hinaufzukommen. Das wird den Tierschutzverein interessieren.«
    Sauereien strudelten um seine Mundwinkel. Sein Augenblau war unerträglich.
    »Auf Tiermissbrauch«, legte ich eisig nach, »steht auch Strafe.«
    Sein Blick löste sich mit einem schmatzenden Plop von mir und streifte über die Weide zu den dösenden Pferden. Mit der Stiefelspitze kickte er ein Steinchen und sagte in den Sommerwind: »Sie haben doch keine Ahnung, was

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