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Pferdekuss

Pferdekuss

Titel: Pferdekuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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zu, fuhr mir durch die Nase ins Hirn. Sie drückte mir den Kehlkopf in die Halswirbel, aber ich sackte in die Hocke, was ihren Griff lockerte, und krallte mich in ihre Kniekehlen. Da spürte ich auch schon das Heurad über mir wanken. Siglinde riss das tonnenschwere Ding über mich. Der Stoß in meinen Rücken war gewalttätig und mörderisch. Siglindes Lederstiefelsohlen ratschten über die Holzlatten des Bodens. Sie stolperte, kam aber weg, bevor das Rad kippte. Ich warf mich in die Rolle seitwärts vorwärts. Das gepresste Heurad krachte staubend auf den Boden, Halme und Häcksel explodierten förmlich darunter hervor und nebelten mich ein, verklebten mir die Augen, verstopften die Bronchien.
    Nein, dachte ich dann, als ich luftschnappend im Licht in der Schiebetür stand und blauen Himmel ahnte. Da kannst du jetzt nicht lang, geh lieber hinten raus. Besser, ich lief Siglinde nicht hinterher. Sonst schillerte am Ende auch noch mein Blut auf dem Asphalt des Hofs.
    Ich erklomm die Leiter zum Strohboden, watete durch Stroh und trat auf der anderen Seite auf die Rampe an die frische Luft.
    Warum sollte ich ihr dankbar sein? Weil sie dafür gesorgt hatte, dass ich Todt beerben konnte und jetzt in Wohlstand lebte und es mit den Mädels treiben konnte?
    Grün und unbeweidet lagen die Westkoppeln vor mir. Das Gras stand hoch und blühte. Ich zündete mir eine Zigarette an und harkte und zupfte die Heuhalme aus meinen Haaren und vom Blazer.
    Aber zum Geständnis hatte ich Siglinde doch nicht provozieren können, obgleich ich es versucht hatte mit meiner Korrektur ihrer Grammatik. Schlecht kalkuliert. Ich war zu weit gegangen, hatte zu viel Zorn heraufbeschworen. In ihren Wutausbrüchen war Siglinde immer ohne Worte gewesen, und nur der General hatte ihre gewalttätigen Überfälle bremsen können, indem er brüllte wie eine Bestie. Zum Beispiel, als ich sagte: ›Sabotage heißt das, wenn man jemandem was kaputtmacht, was er braucht.‹ Denn Siglinde hatte den Traktor mit der Heugabel in die Reifen von Todts Porsche gefahren. Und das nur, weil Todt und ich zur Herbstauktion nach Marbach fahren wollten, um einen Hengst zu ersteigern. Der erste Anschlag auf Todts Auto, das er danach immer in die Garage in der Remise stellte. Mir wäre Siglinde wahrscheinlich schon damals an die Gurgel gesprungen, als ich ihr Sabotage vorwarf, wäre nicht der General dazwischengegangen. Er schickte Siglinde raus in den Stall und stellte Todt und mir seinen Mercedes zur Verfügung, damit wir den Hengst kaufen konnten, der einen Monat später an einer Kolik krepierte.
    O Gott, Siglinde, was hast du getan?
    Fünf Jahre leitete sie jetzt den Hof. Dann kam ich wieder. Der General phantasierte, ich könnte bleiben wollen. Hajo konnte die Augen nicht von mir lassen. Auf einmal war ich wieder ihre Konkurrentin, noch gefährlicher als früher schon in meiner triumphierenden Zweisamkeit mit Todt und unter dem Schutz von Friedrich Gallions Hoffnung, wir könnten ihm die begehrten Enkel bescheren. Mit Bongart sprach Siglinde über mich, erklärte ihm, der General habe große Hoffnungen in mich gesetzt, mich sogar gemocht. So hatte sie das gesehen. Für Siglinde, die im Konkurrenzgedanken aufgewachsen war, im Bewusstsein, dass ihr Bruder sie zu töten versucht hatte und dass sie ihn ausstechen musste, um den Hof zu bekommen, gab es auch heute noch keinen anderen Gedanken, als dass ich zurückgekommen war, um wieder meinen Platz am Tisch des Generals einzunehmen. Während des Geburtstagsessens, während wir sie unten in Mimis Küche glaubten, hatte sie noch einmal Sabotage betrieben, einen Hufauskratzer genommen und Emmas Bremsschlauch vom morschen Nippel gerissen.
    Konnte ich daran noch zweifeln? Bestand irgendein Zweifel daran, dass sie mich eben unter einer Heuwalze hatte plattmachen wollen? Oder sollte ich der Fairness halber annehmen, dass sie sich nur hatte festhalten wollen, weil ich im Begriff war, ihr die Beine wegzuziehen, und dass dabei die Walze ins Wanken geraten war?
    Ich bog in den Durchgang zwischen Wohnhaus und altem Stall auf den Hof und sicherte das Terrain. Siglinde war nicht zu sehen. Reiter liefen mit Putzzeug und Sätteln um ihre Pferde herum, die vor den Stalltüren angebunden waren. Ich hätte auch den Weg außen um die Häuser herum nehmen können, aber dort Siglinde über den Weg zu laufen, wo keiner mehr war, schien mir gefährlicher.
    Die Turnierstute war immer noch nicht im Hänger. Inzwischen hatte man sie in Longierleinen

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