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Pferdekuss

Pferdekuss

Titel: Pferdekuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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»Du sollst endlich die Fresse halten, hab ich gesagt. Du machst uns alle ganz verrückt mit deinem Geschwätz. Aggi soll Va nessa umgebracht haben. Na wunderbar. Aber erst machst du den Hajo deswegen an und dann schnüffelst du mir hinterher. Ja was willst du denn eigentlich? Dich hat jedenfalls keiner eingeladen, hier die Dedek… Deti… Detektivin zu spielen.«
    »Stimmt«, sagte ich umso leiser. »Aber nun ist es zu spät. Inzwischen weiß ich, dass jemand an der Bremse herumgebastelt hat. Todt ist ermordet worden und ich gestern beinahe auch. Das geht mich etwas an.«
    Siglinde glotzte mich an und lachte auf. »Aber du lebst noch, wie ich sehe.«
    »Aber wie, das siehst du nicht. Ich habe Todt geliebt. Seit meinem Unfall bin ich nur noch die mit dem Narbengesicht. Männer versprechen sich besonders ungezügelten Sex mit mir, denn ich gehöre nicht mehr zu den gesitteten Frauen. Und die Frauen, die sehen in mir den Burschen, aber den, der nicht über den dreisten Pimmel verfügt, der Männer so langweilig macht.«
    Auf Siglindes Gesicht erschien ein fieses kleines Lächeln. »Du hast was mit Mädchen? Ist ja interessant. Und weißt du was, das habe ich immer schon gewusst.«
    Da hatte sie mehr gewusst als ich. Mochte ja sein, dass ich auch früher schon gelegentlich den Impuls verspürt und züchtig unterdrückt hatte, Siglinde mal an den lederbesetzten Hintern zu langen. Aber damals lebte Todt noch und meine Sinne waren nicht so verwirrt und verloren wie heute.
    »Na und?«, fragte ich. »Du kannst es ja auch nicht mit den Männern.«
    »Sag das nicht noch mal, du Sau!« In ihren Augen schillerte die Iris wie Hämatit, der das Schleifwasser blutrot färbt. Ihre Lippen plusterten sich auf. »Ich habe nichts mit Mädchen. Aber ich habe immer gewusst, dass du nicht ganz sauber bist. So wie du mich immer angeschaut hast. Und ich habe mich von dir anfassen lassen.« Sie schüttelte sich.
    »Rein schwesterlich«, sagte ich. »Ich hätte gern eine Schwester gehabt. Du doch auch. Wir hätten uns gegen die Männer verbünden können.«
    Es war ein eigenartiger Moment zwischen Heuwalzen und Staubwirbeln in Lichtspießen, ein Augenblick wortloser Gleichgesinntheit, nur dass Siglinde es nicht zugeben würde. Es war möglich, dass ich die Hand hob und ihr in die schwarzen Locken fasste. Sie stand wie ein eben gezähmtes Wildpferd, das der Hand nur halb traut.
    »Und warum«, fragte sie bockig auftrumpfend und schüttelte meine Hand ab, »warum hast du dann immer zu Todt gehalten? Immer habt ihr über mich gelacht und hergezogen. Die dumme kleine Schwester von Todt, die nicht richtig sprechen kann. Todt ist immer mitgegangen, wenn ein Käufer kam, weil er dachte, ich lasse mich über den Tisch ziehen. Und du hast mir immer die Worte erklärt, so in diesem Ton …« Siglinde zog die Brauen zusammen. »… wie Frau Wimmer, unsere Grundschullehrerin, wie einem Dummerchen. Sabotage heißt das, hast du gesagt, wenn man was kaputtmacht, was andere brauchen. Ich hab’s mir gemerkt, wie du siehst. Sabotage.«
    »Es tut mir leid, Siglinde. Ich habe dich nie für dumm gehalten. Im Gegenteil. Ihr Gallions seid alle ziemlich intelligent. Du kannst es nur nicht so ausdrücken.«
    »Ja, jetzt tut’s dir leid. Aber du hast es immer voll genossen, wenn du mir zeigen konntest, wie klug und gebildet du bist. Du …« Sie maß mich von oben bis unten. »Du kleine Sekretärin, du Erbschleicherin, du kannst dir die Klamotten und deine Brillis im Ohr doch bloß leisten, weil du Todt beerbt hast. Da solltest du mir dankbar sein für, aber stattdessen …«
    »Dankbar? Dir? Wofür?«
    Siglinde blickte mich irritiert an. »Dafür, dass ich … ach, scher dich zum Teufel. Ich habe die Faxen dicke. Ich mach mich doch nicht zum Idiot.«
    »Zum Idioten, Siglinde. Es heißt zum Idioten, noch besser zur Idiotin.«
    Eine halbe Sekunde stand die Welt still, dann explo dierten Sterne vor meinen Augen. Mit Krallen und Klau en fuhr Siglinde mir an die Gurgel.

23
     
    Ich hustete Heuhalme, Schimmelpilzsporen und Zigarettenteer und kotzte die Bronchien gleich mit aus. Staub stiebte, Häcksel wirbelte, Halme flogen. Ich kroch auf dem Lattenboden dem Licht zu.
    Wie ich Siglindes Wut überlebt hatte, war mir unklar. Vermutlich im Reflex mit einer dieser wirkungsvollen Techniken, die wir im Judo lernten, um Würgegriffe zu brechen, hatte ich mir kurz Luft verschafft. Siglinde knallte mich rückwärts gegen eins der Heuräder, und Häcksel regnete mir die Augen

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