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Pferdekuss

Pferdekuss

Titel: Pferdekuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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hatte den Anruf bei Karla in Marbach gestern fingiert. Sie wusste längst, was sie mir als Neuheit mitteilte.
    Ohne es zu merken, hatte ich plötzlich das Eibenzweiglein aus dem Jackett gezogen und drehte es in der Hand. Als ich hochschaute, hatte der General bereits wieder die Brille auf der Nase und das Hengstbuch in der Hand.
    »Was ist eigentlich dran an dem Gerücht«, fragte ich, »dass du mich gern gemocht hast?«
    Er schlug das Hengstbuch auf und linste über die Brillenränder. »Wie du selber sagst: Es ist ein Gerücht.«
    Ich warf den Eibenzweig auf den Eichentisch.
    »Daran könntest du sterben, Schwiegervater. Denk an mich, wenn dir nach einem Süppchen mit Kräutern speiübel wird.«

22
     
    Ich schob das Fahrrad mit Hajos Pullover auf dem Gepäckträger über den Hof. Samstagvormittag waren reichlich Leute da. An der Ecke des alten Stalls bei der Arsbrücke drückte sich dieser Stallbursche Aggi herum. Auf den zweiten Blick kam mir das komisch vor. Siglin de stand auf der anderen Seite des Hofs an der Remise, wo vier Leute um eine Turnierstute herum diskutierten, die in einen Pferdeanhänger hineinsollte. Als ich näher kam, sah ich, dass Aggi etwas in der Hand drehte, etwas Grünes. Das Pferd, das ihm am nächsten war, streckte den Kopf aus der Außenboxtür, machte den Hals lang und schnoberte fresslüstern. Aber Aggi enthielt ihm das Grünzeug vor und grinste dabei mit wuchtigem Kinn.
    »He!«, rief ich.
    Der schwachsinnige Bursche schrak zusammen und warf das Zweiglein weg. Das Pferd senkte den Schädel und reckte den Hals. Ich ließ das Fahrrad fallen und schnappte dem Pferd den Zweig vor den Lippen weg.
    »He, bleib stehen!«
    Aber Aggi eierte davon, schlagseitig und betrunken. Im Augenwinkel sah ich Siglinde drüben durchstarten. Aggi eilte auf die Brücke zu. Siglinde stoppte bei mir, fragte: »Was ist?«, sah das Grünzeug und sprang Aggi hinterher, packte ihn am Arm, riss ihn herum und ohrfeigte ihn, dass er rückwärts in die Ars fiel.
    Zwei Reiter ließen das Putzzeug fallen und sprangen herbei. Während sie den Burschen, der sich hustend in die Böschung krallte, aus dem Wasser zogen, kam ein dritter Reiter herzu, der Siglinde bremste. Aber kaum stand Aggi tropfend zwischen seinen Rettern, hob Siglinde die Fäuste und stürzte sich auf ihn. Erst als man sie getrennt hatte, schrie sie los und kreischte Aggi an: »Hau ab, du! Ich will dich hier nicht mehr sehen. Oder ich schlag dich tot!«
    »Na, na!«, machte einer der Reiter.
    Ich drehte das Zweiglein, so dass er es sehen konnte. »Eibe. Aggi hat ein Pferd damit geneckt.«
    Der Reiter war bestürzt. »Aber der Aggi weiß doch nicht, was er tut.«
    »Eben darum«, schrie Siglinde. »Ich kann hier keinen brauchen, der nicht weiß, was er tut. Und die Sauferei geht mir auch auf die Nerven. Der Aggi geht. Jetzt reicht’s mir. Ich habe die Faxen dicke.«
    »Aber wo soll er denn hin?«
    »Das ist mir doch egal.«
    Aggi tropfte. Die schief geknöpfte Hose klebte ihm an den krummen Beinen. Die beiden Reiter, die ihn aus dem Wasser gezogen hatten, ließen ihn los. Wer fasste so einen Kerl auch gerne an? Aggi hob sein abartiges Kinn in die Sonne und setzte sich mit der Miene eines geprügelten Hundes in Bewegung. Kaum war er zwei Meter fortgeschlingert, huschte Siglinde ihm nach und trat ihm nicht, nein, sprang ihm mit dem Reitstiefel ins Steißbein.
    Er schlug der Länge nach auf die Schnauze. Fast sofort kam Blut unter ihm hervor. Während wieder andere ihn aufhoben – das Blut troff ihm aus der Nase übers Kinn und bekleckerte sein Hemd –, nahm ich Siglinde am Arm. »Es reicht. Es ist genug! Hörst du?«
    Ihre Augen glühten so rot, dass ich zurückwich.
    »Du …!«, keuchte sie, ohnmächtig im Zorn und unfähig, das Wort zu finden, das den Hass ausdrückte, der mir aus diesen Augen entgegensprang. »Geh weg!«
    Ich war perplex. Vielleicht mein Glück. Meine Erstarrung bot Siglinde keinen Angriffspunkt. Sie starrte mich an, atemlos, die Fäuste geballt, die Zähne gebleckt, dann drehte sie abrupt ab, bog um die Ecke und verschwand hinter dem alten Stallgebäude.
    Inzwischen hing Aggi benommen in den Armen seiner Helfer, blutüberströmt, das Hemd besudelt, die Hosen nass. Man rief nach Dr. Hilgert. Ich hob Hajos Fahrrad auf. Nicht weit davon glänzte Aggis Blut auf dem Asphalt. Mir wurde schlagartig und unvermutet heftig übel. Es glitzerte etwas einen halbem Meter von der Blutlache entfernt, etwa dort, wo Aggis Hand aufgeschlagen war. Es

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