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Pferdekuss

Pferdekuss

Titel: Pferdekuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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gespannt, die zu beiden Seiten der Hängertür befestigt waren und dem Pferd um Flanken und Hinterteil liefen. Zu beiden Seiten an den Leinen ziehend rang man ihr jeden Millimeter die Rampe hinauf ab, ohne dass sie zurückweichen oder ausbrechen konnte.
    Kommissarin Feil kam mir von schräg vorn entgegen, diesmal in Edeljeans und lachsfarbener Bluse. Sie sah ein wenig abgehetzt aus, beinahe verschwitzt. »Frau Nerz, ich komme gerade von Ihrer Mutter …«
    »Ist was mit meiner Mutter?«
    Sie lächelte fast. »Nein. Aber Sie müssen mir ein paar Fragen beantworten. Wir suchen nach Ronald Maiwald. Der Hinweis kam gestern von Ihnen. Ich muss Sie fra gen, wie Sie von diesem Freund Vanessa Bongarts Kenntnis erlangt haben.«
    »Eine Freundin Vanessas hat ihn erwähnt. Aber ihren Namen kann ich Ihnen nicht sagen.«
    »Frau Nerz! Hier geht es um ein Gewaltverbrechen. Dem Opfer wurde eine Mistgabel in den Unterleib gerammt. Und da das Opfer im zweiten Monat schwanger war, müssen wir den mutmaßlichen Freund in Betracht ziehen. Wir können eine Beziehungstat nicht von vornherein ausschließen. Also sagen Sie mir bitte, wer wissen könnte, wo sich dieser Maiwald derzeit aufhält.«
    »Ich weiß nicht, wie das Mädchen heißt, das mir das erzählt hat«, log ich, »aber sie kommt regelmäßig zum Reiten hierher, und sie war gestern da. Ihre Leute müssen doch auch mit ihr gesprochen haben.«
    Feil schluckte bei dem unfeinen Hinweis auf eine Po lizeipanne. »Sie hatten gestern einen Unfall, sagte man mir auf dem Revier Vingen.«
    Aha, dachte ich, Feil hatte auf dem Revier nach meiner Adresse gefragt, vielmehr der meiner Mutter, weil ihre Beamten gestern auch verschwitzt hatten, meine Per sonalien aufzunehmen.
    »Sie sind wohl zu schnell gefahren. Wohl ein bisschen zu viel getrunken, was?«, bemerkte sie bissig. »Und die se Dorfpolizisten lassen das einfach so durchgehen. Es wurde kein Alkoholtest gemacht.«
    Ich konnte mir plastisch vorstellen, wie sich die Dame mit dem norddeutschen Charme auf dem Revier jede Sympathie verscherzt hatte, als sie an Weckeries Protokollakte herumnörgelte. Sie hatte so etwas an sich, das einem Lust machte, sie ein wenig hochzunehmen. Zu mindest hatte ich keinerlei Bedürfnis, ihr die Unklarhei ten meiner Unfälle zu erläutern.
    »Schauen Sie mal«, sagte ich stattdessen, »was ich ge funden habe: einen Ohrstecker mit Brillant, ziemlich teu er. Dieser Stallknecht Aggi hat ihn vorhin fallen lassen. Er liegt im Moment mit blutiger Nase in seinem Zimmer. Ich frage mich, woher er diesen Ohrstecker hat. Glauben Sie, dass ein junges Mädchen wie Vanessa so was trägt?«
    »Geben Sie her.« Feil nahm mir das Schmuckstück hastig ab. »Die Tote trug zwar keinen Schmuck, aber die Ohrläppchen sind durchstochen. Wir haben den Vater schon gefragt. Aber er hatte natürlich keinen blassen Schimmer, was seine Tochter für Schmuck trug.«
    »Und wenn die Tote nicht Vanessa wäre?«, sagte ich vorsichtig.
    »Nun seien Sie mal nicht schlauer als die Polizei, Frau Nerz.« Feil wandte sich schon ab, drehte sich aber dann noch einmal um und musterte mich mit lachsfarbenem Grinsen. »Übrigens, vielleicht gehen Sie mal heim zu Ihrer Mutter. Eine Dusche würde Ihnen sicher guttun. Und ziehen Sie sich was Frisches an. Sie sehen aus, als hätten Sie im Heu übernachtet.« Damit flatterte sie vom Hof.
    Vor dem Hänger hatte man inzwischen eine Beratungspause eingelegt. Die Stute stand mit großen Augen, seitwärts-rückwärts gerichteten Ohren und eingekniffenem Hinterteil in Todesangst dabei. Wahrscheinlich hatte sie weniger vor dem Hänger Angst als vor dem Turnier, das einer solchen Verladung regelmäßig folgte.
    Hajo erschien mit dem braunen Sweater vom Fahrradgepäckträger in der Hand. Er näherte sich der Stute, ließ sie an dem Kleidungsstück schnobern und band ihr dann den Pullover mit den Ärmeln über die Augen. Der Halter führte das blinde Pferd ein paarmal im Kreis und dann auf die Rampe des Hängers. Eigenartig, dass die Viecher uns glauben, dass die Gefahr abhandengekommen ist, die sie nicht mehr sehen.

24
     
    Die Sonne erklomm den Süden über der grünen Wand des Albtraufs. Ich machte mich zu Fuß über die Koppeln auf den Weg nach Vingen, raus aus dem Gestüt mit seinen Zäunen, denen weder Mensch noch Tier entkamen.
    Auf der fernen Landstraße flitzten Autos hin und her. In die südöstliche Ecke der Koppeln musste ich zielen. Dann waren es nur noch zwei Kilometer Landstraße bis Vingen.

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