Pflege daheim oder Pflegeheim
Angehörige um 19 Prozent kränker als die durchschnittliche Bevölkerung: Sie leiden unter Rückenschmerzen, Kreislaufbeschwerden, aber auch seelischen Erkrankungen.
Oft genug wird all dies auch noch durch Konflikte in der Familie verstärkt. Auf einmal sind es nicht mehr die Eltern, die ihre Kinder beschützen, sondern umgekehrt müssen und wollen sich die Kinder um Vater und Mutter kümmern – das kann einen Zwiespalt bedeuten. Die Eltern sagen vielleicht, sie wollten nicht abhängig sein von den Kindern und diese nicht belasten – aber sind insgeheim dann doch enttäuscht, dass „niemand für einen da ist, wenn man ihn braucht“ und empfinden das als Undank. Oder was ist, wenn alle Angehörigen berufstätig sind, selbst vielleicht noch kleinere Kinder zu versorgen haben oder weit entfernt, in anderen Städten leben? Dann steht oft auch das Verhältnis der Geschwister untereinander auf dem Prüfstein, wenn Eltern pflegebedürftig werden: Wer kann, wer soll die häusliche Pflege übernehmen? Die es nicht tun oder nicht können, haben oft ein schlechtes Gewissen. Das ist übrigens ein schlechtes Motiv: Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass die Übernahme der Verantwortung aufgrund von Schuldgefühlen für beide Seiten emotional schlecht und der Pflege abträglich ist. Und Geschwister und sogar Freunde machen den Pflegenden auch noch Vorwürfe, wenn der Zustand des „Pfleglings“ nicht immer so ist, wie sich Dritte das erträumen. Und noch ein psychologisches Problem kann auftreten: Die Hoffnung, durch die aufopferungsvolle Pflege von Vater oder Mutter doch noch die Liebe oder Anerkennung zu bekommen, die man in der Kindheit vielleicht vermisst hat, die wird fast immer enttäuscht und kann zu schlimmen Aggressionen zwischen dem Pflegenden und dem Pflegebedürftigen führen.
Pflegezeit
Pflege kostet neben Zuwendung auch Zeit. Wenn Sie einen Menschen in dessen Wohnung oder im Ihrem Haushalt ehrenamtlich versorgen, können Sie dafür eine unbezahlte „Pflegezeit“ in Anspruch nehmen. Zum einen geht das kurzfristig für zehn Tage, um im akuten Fall das Nötigste zu organisieren. Der Arbeitgeber muss Sie dafür freistellen, aber keine Lohnfortzahlung leisten.
Freistellung
Zum anderen können Sie sich bis zu einem halben Jahr für die Pflege eines nahen Angehörigen freistellen lassen. Wie Sie zu dieser gesetzlichen Pflegezeit kommen, welche sozialrechtlichen Fortschritte, aber auch welche Einschränkungen es gibt, wird in Kapitel 6 („Pflege und Beruf“) beschrieben. Das Angebot wird in der Praxis aber nur von relativ Wenigen genutzt, weil die zuständigen Stellen darüber nur unzureichend informieren und vor allem, weil sich nicht jeder einen Lohnverzicht über ein halbes Jahr leisten kann. „Das Pflegezeitgesetz kommt nicht an“, stellte das Zentrum für Qualität in der Pflege (siehe Adressliste ) im Herbst 2011 fest.
HINWEIS
Ihr pflegebedürftiger Angehöriger bekommt das Pflegegeld ausgezahlt und kann sich frei entscheiden, wen er um Hilfe bitten und sich dafür finanziell erkenntlich zeigen möchte. Wenn Sie diesen Betrag erhalten, so gilt das nicht als Einkommen, sondern als „Anerkennung“ der Hilfsleistung und muss daher nicht versteuert werden.
Sonderurlaub
Ferner gibt es die Möglichkeit eines unbezahlten Sonderurlaubs, aber nur, wenn dies in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung geregelt ist.
„Familienpflegezeit“
Zusätzlich zur sechsmonatigen Pflegezeit, auf die Sie (im Prinzip) einen Anspruch haben, hat der Bundestag am 20. Oktober 2011 – gegen die Stimmen der Opposition – die Einführung der „Familienpflegezeit“ beschlossen. Dabei sind Sie jedoch darauf angewiesen, dass der Arbeitgeber mit Ihnen einen entsprechenden Vertrag abschließt. Wenn er das tut, können Sie bis zu zwei Jahre lang weniger arbeiten, bekommen aber ein Gehalt, das zwischen der Entlohnung für volle und reduzierte Arbeitszeit liegt. Die Differenz wird später, wenn Sie wieder voll arbeiten, durch entsprechende Lohn- beziehungsweise Gehaltsabzüge ausgeglichen. Auch dazu sowie zur Kritik an dem neuen Instrument finden Sie alles in Kapitel 6 („Pflege und Beruf“).
Wohnraumanpassung und Pflegehilfsmittel
Die meisten Pflegebedürftigen möchten – wie gesagt – am liebsten in ihren eigenen vier Wänden versorgt werden. Doch nicht jede Wohnung oder jedes Haus ist automatisch für diese Betreuung geeignet. Manchmal sind nur ein paar kleine Veränderungen an der Einrichtung
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