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Pflicht und Verlangen

Pflicht und Verlangen

Titel: Pflicht und Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Landys
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bekümmert als er sich anmerken lassen konnte und wollte. Er
hatte Elisa sehr geliebt, besonders ihr freundliches und nachgiebiges
Wesen, die sanfte Art, in der sie zu sprechen pflegte und ihre schöne
Stimme, wenn sie sang und Piano spielte. Eigenschaften, die seiner
Gattin leider eher abgingen, obwohl ihm Lady Millford eine gute Frau
war und seinen Haushalt umsichtig führte. Umso mehr hatte es ihn
betrübt, als er vor nunmehr sechseinhalb Jahren erfahren hatte,
dass seine geliebte Schwester und ihr Mann William Brandon in
Griechenland einer Typhusepidemie erlegen waren, ohne dass er noch
einmal mit ihr gesprochen hatte. Die damals vierzehnjährige
Charlotte blieb – zwar mit vielen Büchern und antiken
Kunstgegenständen, aber ohne ein gutes Auskommen und weitere
Pläne – im elterlichen Haus in Kastri (2) zurück. Er
hatte sich umgehend darum gekümmert, dass das Mädchen nach
England zurückkehrte, überführte die wenigen
Besitztümer der Eltern nach London in die Obhut eines Verwalters
und brachte Charlotte im ehrenwerten Institut der Mrs Longbottom in
Surrey unter. Leider hatte das Kind unverständlicherweise nie
Kontakt aufgenommen, aber er hatte angenommen, dass es sich seiner
Herkunft vielleicht schämte. Wie auch immer: solche Dinge
überließ er eher seiner Frau. Die traurigen Ereignisse,
verbunden mit den unangenehmen und aufreibenden Formalitäten,
waren eine große Anstrengung gewesen. Zudem begannen damals
auch seine Geschäfte in Übersee schwierig zu werden und
erforderten seine ganze Aufmerksamkeit. Nun aber war die Zeit
gekommen, dass er sich Charlottes entsann.

Kapitel
2

    Charlotte
war überrascht gewesen, als der Brief von Mr Norton, dem Anwalt
ihres Onkels, im Longbottom Institut eintraf. Sie hatte sich darauf
eingestellt, noch eine Zeit lang im Institut zu unterrichten und dann
dem einzigen Beruf nachzugehen, der einer Frau in ihrer Lage
offenstand, nämlich eine Stellung als Gouvernante in einem
herrschaftlichen Haus anzunehmen. Nicht eben eine beglückende
Aussicht, aber ihren Neigungen nachzugeben und Musikerin oder
Forscherin zu werden stand außer Frage. Zwar gab es solche
Frauen, die sie auch glühend bewunderte, wie Caroline Herschel
(3), die deutsche Sängerin, Astronomin und Kometenentdeckerin,
die in Slough lebte oder Sibylla Merian (4), die berühmte
Naturforscherin und ausgezeichnete Künstlerin, deren Ruhm sogar
bis zum Zar nach Sankt Petersburg gedrungen war. Aber diese Frauen
waren echte Solitäre und sie zahlten einen hohen Preis für
ihren unerwünschten Forscherdrang. Caroline Herschel zum
Beispiel war nahezu gesellschaftlich geächtet und hätte sie
nicht einen Bruder gehabt, der das Amt des königlichen
Astronomen innehatte, hätte sie diesen Weg nie gehen können.
    Charlotte
hatte ihre Eltern gehabt, vor allem ihren Vater William Brandon, den
sie über alles geliebt hatte. Er hatte sie mit auf seine
Forschungsreisen genommen und teilhaben lassen an seinen Entdeckungen
über die versunkene Welt der Griechen und Römer. Er hatte
sie Griechisch und Latein gelehrt und ihre natürliche Neugier
befeuert, ihrem hungrigen jungen Geist jede Nahrung angeboten, nach
der es ihn verlangte. Auch ihre Mutter hatte Charlotte auf ihre Art
alles gegeben, was sie besaß. Ihre überbordende Freude an
Musik und Literatur war zweifellos das Erbe ihrer Mutter. Und wenn
sie auch nicht deren großen Liebreiz und Sanftmut besaß,
so war Charlotte dennoch mit einer außerordentlichen
Musikalität und der Fähigkeit, ihren Gedanken in Worten und
Musik Flügel zu verleihen, gesegnet. Diese von ihren Eltern
geförderten Fähigkeiten hatten ihr die Anerkennung, aber
auch das Misstrauen von Mrs Longbottom und ihren Kolleginnen
beschert. Allzu viel Wissensdurst und musikalisches Talent standen
einer jungen Dame nicht an, so wurde ihr bedeutet und Mrs Longbottom
sah sich mehr als einmal genötigt, sie zu ermahnen, weder ihre
Schülerinnen noch sich selbst mit allzu viel unnützem
Bücherstaub und Notenklang zu beschweren. Mrs Longbottom, die
auf ihre Art durchaus wohlmeinend war, führte ihr eindrucksvoll
eine drohende »Karriere« als nicht zu vermittelnder
Blaustrumpf vor Augen, der weder Aussicht auf eine Anstellung in
einem angesehenen Hause noch gar auf eine – wenn auch noch so
unwahrscheinliche – Heirat hatte. So hatte sie sich denn
widerstrebend gebeugt und ihre Studien auf ein paar heimliche Stunden
bei Kerzenschein verlegt. Allerdings fühlte sie sich mehr und
mehr wie ein Vogel im

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