Pflicht und Verlangen
langen Abends frisch und vergnügt
und plauderten nach der Begrüßung fröhlich drauflos.
Edward Fortescue verbeugte sich schüchtern und setzte sich dann
gegenüber seinen Schwestern an die Frühstückstafel mit
einem kräftig gefüllten Teller, der in vollem Gegensatz zu
seiner Schüchternheit stand. Hin und wieder warf er Charlotte
einen verschämten Seitenblick begleitet von einem vorsichtigen
Lächeln zu, was diese aber keineswegs störte. Mr Fortescue
weckte in Charlotte, obwohl er etwa so alt war wie sie selbst, auf
unbestimmte Weise die Beschützerinstinkte einer Schwester
gegenüber ihrem jüngeren Bruder.
Terency
allerdings schien über die Neuankömmlinge nicht allzu
erfreut. Dies besserte sich jedoch als er bemerkte, dass Miss
Millicent ihm immer wieder verstohlene bewundernde Blicke zuwarf und
er begann, sich am Gespräch zu beteiligen. »Und Sie, Mr
Fortescue, haben Sie sich schon für einen Beruf entschieden oder
ziehen Sie das Leben als Gentleman vor? Meines Erachtens die einzig
wirklich erträgliche Form, sein Dasein zu fristen. Was soll die
ganze Plackerei, nicht wahr?«
» My…
Mylord«, stotterte der so vom nächsten Bissen Abgehaltene,
»ich wünschte, ich hätte diese Wahl, aber sehen Sie:
die Familie Fortescue hat zwar einen alten Namen, jedoch hat unser
Zweig darüber hinaus herzlich wenig vorzuweisen. Mein Vater ist
Pfarrer, Mylord, mit einem nicht allzu hohen Einkommen, dafür
aber einer umso reicheren Kinderschar. Außer uns dreien gibt es
noch acht weitere Geschwister. Sie sehen, dass in unserer Familie
jeder nach seinem Auskommen selbst schauen muss. Ich habe das Glück,
dass mir ein Studienfreund meines Vaters angeboten hat, nach meiner
Ordination zunächst eine Stelle als Hilfspfarrer im Bezirk New
Forrest anzutreten. Zurzeit bin ich allerdings noch mit dem Studium
der Theologie beschäftigt.«
» Ja,
und das wird auch noch eine ganze Weile dauern, wenn du dich
weiterhin so schwer tust«, warf Millicent Fortescue tadelnd und
etwas vorlaut ein. »Stellen Sie sich vor, Miss Brandon, Edward
ist nun schon zwei Mal durch die Griechischprüfung gefallen.«
Charlotte
hatte Mitleid mit dem jungen Mann, der nun wieder, ob der
Indiskretion seiner Schwester, von Röte übergossen war. Sie
beschloss, ihm zu Hilfe zu eilen. »Miss Millicent, sicher
wissen Sie nicht, dass Griechisch eine ausgesprochen schwierig zu
erlernende Sprache ist. Nicht nur muss man sich an andere
Schriftzeichen gewöhnen, was noch die kleinste Übung
darstellt, die griechische Grammatik ist auch von allerlei Fußangeln
und Schwierigkeiten durchsetzt, die es jedem Schüler dieser
Sprache recht schwer macht, sie zu meistern. Nicht wahr, Mr
Fortescue?«
Dieser
blickte sie dankbar an und nickte dann eifrig. »Ja, besonders
die Verbformen! Ich kann diese verschiedenen Zeitformen einfach nicht
in den Kopf bekommen. Es ist zu schwer!«
» Oh,
Mr Fortescue, als ich diese erlernte, zeigte mir mein Vater einen
einfachen Kniff, mit dem sich die Sache dann trotz aller
Schwierigkeit meistern ließ. Ich bin sicher, dass es Ihnen
damit auch gelänge.«
» Meiner
Treu, Miss Brandon!«, warf da Miss Millicent ein, »nun
sagen Sie bloß, Sie sprechen Griechisch. Haben Sie uns nicht
gestern schon alle mit Ihren unglaublichen Klavierkünsten
beeindruckt? Unsereins bekommt ja geradezu Angst vor Ihnen.«
» Das
ist nun wirklich nicht nötig, Miss Millicent!«, gab
Charlotte betroffen zurück. Diesen Eindruck versuchte sie ja
gerade verzweifelt zu vermeiden. »Ich hatte nur von
Kindesbeinen an die Gelegenheit, diese Dinge zu erlernen und so ist
es nicht als Kunst zu betrachten, sondern als das logische Ergebnis
der Erziehung meiner Eltern, die sich aber auch nur um ein Kind
bemühen mussten.«
» Sehr
bescheiden, Miss Brandon!«, mischte sich da Terency in
sarkastischem Ton ein. »Ich würde ja gar zu gerne
mitbekommen, um welch sagenhaften Kniff Ihres Vaters es sich
handelt.«
» Oh,
ich denke, das lässt sich ohne Weiteres bewerkstelligen,
Mylord«, erwiderte Charlotte und konnte sich einen gewissen
bissigen Unterton in ihrer Bemerkung nicht verkneifen, was Terency
aber zu amüsieren schien. »Allerdings ist es schon nötig,
dass ich Mr Fortescue dafür etwas Zeit widme. Und Sie müssen
ja, wie Sie vorher schon bemerkten, wegen dringender Geschäfte
noch heute nach London abreisen.«
» So
schlage ich denn vor, dass die drei Herrschaften Fortescue ebenfalls
eingeladen sind, wenn ich nach Weihnachten die Ehre habe, Sie auf
Millford
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