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Pflicht und Verlangen

Pflicht und Verlangen

Titel: Pflicht und Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Landys
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spielte vielleicht auch deshalb den Beethoven
besser als früher in den stillen Räumen des
Longbottom’schen Instituts. Wahrscheinlich war es eben so,
dachte Charlotte, dass dieser Beethoven nur mit der Wut der
Leidenschaft oder leidenschaftlicher Wut wirklich angemessen gespielt
werden konnte.
    Die
letzten Akkorde waren verklungen und Charlotte hielt zitternd vor
Erschöpfung inne. Sie war ganz undamenhaft in Schweiß
geraten und konnte sich gerade noch bezwingen, sich mit der Hand über
die Stirn zu fahren, da erhob sich zögernder Applaus. Offenbar
wusste man nicht, wie man auf den verstörenden Vortrag reagieren
sollte. Charlotte stand errötend auf, nickte den Gästen
kurz zu und beeilte sich, zu ihrem Onkel hinüberzugehen, der sie
mit großen Augen anstarrte.
    Charlotte
wusste, das hätte nicht passieren dürfen. Sie hatte gewiss
mit ihren Künsten beeindruckt, aber mit der Musikwahl umso mehr
verstört. Der Eindruck, den sie damit hinterlassen hatte, würde
sich als Fußfessel für ihre Einführung in die hiesige
Gesellschaft erweisen. Es geziemte sich nicht für eine junge
Frau, sich in der Öffentlichkeit derartig zu präsentieren,
ja, was noch schlimmer war, eine solche Leidenschaft vor aller Augen
an den Tag zu legen! Sicher, da gab es Sängerinnen und
Schauspielerinnen … ihnen wurde auch Bewunderung, ja sogar
Verehrung zuteil, aber sie standen trotz allem außerhalb der
Gesellschaft. Man schmückte sich mit ihnen, aber man akzeptierte
sie nicht.
    Sie
fürchtete jetzt, mit dieser, ihr von Terency aufgezwungenen
Darbietung, den Grundstein für ihr gesellschaftliches Versagen
gelegt zu haben. Sie hätte ihn dafür schlagen können!
    Charlotte
war wirklich froh, dass sie sich um ihren gebrechlichen Onkel kümmern
konnte und dadurch die nun wieder dem Festsaal zuströmenden
Gäste nicht weiter beachten musste. Zu ihrer großen
Erleichterung brachten die erlesenen Speisen und die fröhliche
Musik die Gäste bald wieder auf andere Gedanken. Man lächelte
ihr auch weiterhin wohlwollend zu, obwohl sie meinte, eine gewisse
Scheu und Zurückhaltung zu verspüren, die vor der
unsäglichen Klaviereinlage nicht vorhanden gewesen war. Dann
wurde sie ungewollt sogar Ohrenzeugin einer Unterhaltung zwischen der
durchaus wohlwollenden Mrs Whigfield und ihrer Cousine, der Witwe Mrs
Dalrymple, in der ihr zwar beachtliches Talent zugestanden, aber mit
Sorge darüber nachgesonnen wurde, wie sie denn mit solch
überambitionierten Interessen ihren Pflichten im Hause Millford
gerecht werden wolle. Mit zunehmend unguten Empfindungen hoffte
Charlotte schließlich auf ein Ende des Festes. Sie schämte
sich nun fast für ihren Klaviervortrag. Ach, hätte sie
Terency doch mehr Widerstand entgegengebracht! Eine Strafpredigt
ihrer Tante, gespickt mit vielen Vorwürfen über ihr
unbotmäßiges Verhalten, war ihr wohl auch noch sicher.
Charlotte seufzte tief und versuchte, das stärker werdende
ängstliche Unbehagen zu unterdrücken. Wenn es nach ihr
gegangen wäre, hätte sie es ja auch gerne bei Händel
bewenden lassen und alle wären zufrieden gewesen. Doch
vermutlich würde Lady Millford ihre eigene Rolle bei dem Eklat
erfolgreich verdrängen. Charlottes Abscheu gegenüber dem
Verursacher dieser Unannehmlichkeiten wuchs ins Enorme.
    Irgendwann
neigte sich der Ball tatsächlich dem Ende zu und die Gäste,
die in der Umgebung wohnten, bestiegen die Kutschen. Auch die
Besucher aus Dullham Manor verabschiedeten sich. Mr Townsend ergriff
gerührt Charlottes Hand: »Meine liebe Miss Brandon, der
heutige Abend wird mir immer in Erinnerung bleiben. Ich schätze
mich glücklich, dass ich Gelegenheit hatte, einer Künstlerin
wie Ihnen mit meinen bescheidenen Fertigkeiten dienlich sein zu
können.«
    Wenigstens
einer, der zufrieden ist!, dachte Charlotte zerknirscht, beeilte sich
aber dennoch, Mr Townsend auch noch einmal auf das Herzlichste zu
danken. Lady Wellesley dagegen verhielt sich erwartungsgemäß
kühl und musterte sie kritisch. »Etwas mehr Zurückhaltung
hinsichtlich Ihrer ehrgeizigen Interessen wäre angeraten, junge
Dame, aber Sie sind ja noch jung und können lernen, nicht wahr?
Trotz allem hat es mir recht gut gefallen heute Abend, und Sie sind
ja dennoch ein reizendes Kind.«
    Captain
Battingfield, der bereits die Verabschiedung von Lord und Lady
Millford hinter sich gebracht hatte und nun etwas abseits stehend auf
die Damen wartete, fing Charlottes Blick auf. In seinen Augen las
Charlotte Anerkennung und Trost

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