Pflugstein: Kriminalroman (German Edition)
teilt seiner Frau mit, dass es etwas später
wird. Bevor sie sich beschweren kann, verabschiedet er sich und betätigt den Aus-Knopf.
Eine halbe
Stunde später kommt er erschöpft wieder im Fichtenwald an. Doch der Gedanke an das
abendliche Pilzgericht lässt ihn wieder munter werden. Der Korb steht zum Glück
immer noch an derselben Stelle. Als er nach ihm greifen will, wird sein Blick von
etwas Rotem angezogen. Neugierig geht er auf die Erscheinung zu, die sich zu seinem
Schrecken als eine auf der Seite liegende Frau entpuppt.
»He, Sie
da, können Sie mich hören?«, ruft er ihr zu.
Keine Reaktion.
Vorsichtig
tritt er näher und sieht, dass ihre Augen geschlossen sind und ihr Mund zugeklebt
ist. Das gefällt ihm ganz und gar nicht. Ängstlich schaut er sich um, doch da ist
niemand sonst. Er umkreist die Frau. Ihre Hände sind auf dem Rücken gefesselt. Ein
Gruseln überkommt ihn. Er stößt ihren Körper mit seinem Fuß leicht an. Mein Gott,
die ist tot, denkt er entsetzt. Er kniet vor ihr auf den Boden, doch mit seinen
Händen berühren mag er sie nicht. Dann sieht er die Wunde an ihrem Hinterkopf. Das
Blut ist verkrustet, aber es sieht nicht gut aus.
Hastig rappelt
er sich hoch, greift nach seinem Korb und verlässt fluchtartig den Ort.
Oben auf
der Straße besinnt er sich eines Besseren und wählt die Notrufnummer.
Obwohl er
der Polizei den Fundort genau beschrieben hat, dauert es zwanzig Minuten, bis der
Streifenwagen und die Ambulanz eintreffen.
79
Da Möller von der Einsatzzentrale
die Nachricht erhält, dass im Küsnachter Tobel eine Frau gefunden wurde, auf die
seine Beschreibung zutrifft, rast er ins Spital Zollikerberg.
Die ältliche Krankenschwester zeigt
sich wenig beeindruckt, als er ihr seinen Ausweis zeigt und erklärt, dass er unbedingt
wissen müsse, ob es sich bei der kürzlich eingelieferten Frau um Viktoria Jung handle.
Sie bittet ihn frostig, am nächsten Tag wiederzukommen.
»Sie rufen
jetzt sofort den zuständigen Arzt, oder ich stelle das ganze Spital auf den Kopf«,
donnert er sie an.
Die Frau
wirft ihm einen verächtlichen Blick zu, macht sich dann aber schnellen Schrittes
auf. Kurz darauf kommt sie mit einem jungen Mediziner zurück, der sich als Dr. Wendler
vorstellt.
Möller zeigt
ihm seinen Ausweis. »Ich möchte die Frau sehen, die vor Kurzem eingeliefert wurde«,
bittet er den Arzt, noch bevor sich dieser äußern kann. »Sie ist wahrscheinlich
nicht nur meine Freundin, sondern sie ist auch in ein Tötungsdelikt verwickelt.«
»Also gut,
aber nur kurz«, willigt Dr. Wendler ein.
Erleichtert
folgt Möller ihm auf die Intensivstation. Der Anblick von Viktoria erschreckt ihn
zutiefst. Ihr Kopf ist eingebunden, ihre Wangen eingefallen. Sie hängt an so vielen
Schläuchen, dass ihm ganz bange wird. Er nickt seinem Begleiter kurz zu und folgt
ihm in sein Besprechungszimmer.
»Setzen
Sie sich.« Der Arzt deutet auf einen Stuhl.
»Schwebt
sie in Lebensgefahr?«, schießt Möller los.
»Sie ist
immer noch bewusstlos und sie hat viel Blut verloren. Dass sie immer noch am Leben
ist, grenzt an ein Wunder. Es ist uns allerdings noch nicht gelungen, ihren Blutdruck
zu stabilisieren. Der Blutverlust und das Fieber haben den Körper so geschwächt,
dass es zu einem Blutunterdruck gekommen ist. Wir nennen das in der Fachsprache
Hypotonie.«
»Was werden
Sie dagegen unternehmen?«, fragt er ungeduldig.
»Durch eine
Infusion füllen wir das Flüssigkeitsvolumen im Kreislaufsystem wieder auf. Aber
ich will ganz ehrlich mit Ihnen sein: ihr Zustand ist äußerst kritisch.«
»Und was
ist mit ihrem Kopf geschehen?«
»Wahrscheinlich
ist sie hingefallen und hat sich dabei an einem Stein gestoßen. Zum Glück können
wir ein Schädelhirntrauma ausschließen.«
»Das ist
noch nicht alles, nicht wahr?«, fragt er den Arzt, als er dessen besorgten Blick
sieht.
»Wir gehen
davon aus, dass Ihre Freundin mit Äther betäubt wurde. Je nach Dosis wird sie nach
dem Aufwachen mit Übelkeit und Erbrechen rechnen müssen. Um ehrlich zu sein, hatte
sie Glück im Unglück. Eine noch höhere Dosis dieses Narkosemittels hätte das Atemzentrum
lähmen und zum Tod führen können.«
Er versucht,
seine Nervosität zu unterdrücken. »Sie wurde vor ein paar Tagen schon einmal überfallen
und mit Äther betäubt.«
»Hat sie
einen Arzt aufgesucht?«, erkundigt sich Dr. Wendler.
»Nein, hat
sie nicht.«
»Verstehe.
Da ist etwas anderes, das mir mehr Sorgen macht als die Wunde am Kopf und die
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