Pflugstein: Kriminalroman (German Edition)
Betäubung
durch Äther.«
Er drängt
den Arzt, weiterzusprechen.
»Ihre Freundin
hat eine Lungenentzündung. Wahrscheinlich wegen der langen Unterkühlung. Ihre Kleider
waren durchnässt. Wir nehmen an, dass sie die ganze Nacht draußen gelegen hat. Zumindest
mehrere Stunden«, korrigiert sich Dr. Wendler. »Und in der Nacht hat es geregnet.
Nun müssen wir darauf hoffen, dass Ihre Freundin möglichst bald wieder aufwacht.«
»Ich werde
hier bleiben«, beschließt Möller energisch. »Meine Freundin braucht mich jetzt.«
»Ich verstehe
Ihren Wunsch, aber das ist im Moment nicht möglich«, gibt der Mediziner zurück.
»Kommen Sie morgen früh wieder. Dann werden wir weitersehen. Vertrauen Sie mir,
Ihre Freundin ist in guten Händen.«
»Also gut,
aber Sie müssen mir versprechen, dass Sie mich sofort informieren, wenn sie aufwacht«,
bittet er den Arzt und reicht ihm seine Visitenkarte. »Ich werde veranlassen, dass
sie lückenlos polizeilich überwacht wird. Das war bereits der zweite Anschlag auf
ihr Leben innert kürzester Zeit. Außerdem müssen wir davon ausgehen, dass sie den
Täter gesehen hat und somit in größter Gefahr ist.«
»In die
Intensivstation wird niemand eingelassen. Die Überwachung kann draußen vor der Türe
stattfinden«, schlägt Dr. Wendler vor. »Ich bitte Sie jedoch dafür zu sorgen, dass
unser Pflegepersonal bei der Arbeit nicht behindert wird.«
Möller nickt
zustimmend und bespricht mit dem Arzt die nötigen Vorkehrungen. Dieser sichert ihm
zu, das Pflegepersonal entsprechend zu instruieren.
Dann ruft
er seinen Kollegen Pola an und bittet ihn, für den Personenschutz einen zuverlässigen
Mann hierherzuschicken. Von ihm erfährt er, dass die Spurensicherung am Tatort abgeschlossen
ist. Man hat diesmal außer Reifenabdrücken und einem Stein mit Blutspuren auch eine
Kaugummiverpackung sichergestellt. Beides ist bereits im Labor.
Das zumindest
sind gute Nachrichten, denkt er erschöpft, doch darüber freuen kann er sich nicht.
Er wartet
vor der Intensivstation so lange, bis der uniformierte Beamte eintrifft. Nachdem
er ihm seinen Auftrag erläutert hat, rast er mit Blaulicht zurück nach Zürich.
Seine Sorge um Viktoria lähmt ihn.
Immer und immer wieder stellt er sich dieselben Fragen. Was zum Teufel ist geschehen?
Warum hat sie das Haus in der Nacht noch mal verlassen? War sie noch dort, als er
an ihrer Türe geklingelt hat? War alles sein Fehler? Selbst wenn sie überleben wird,
so kann er das, was sie in den letzten Tagen erlitten hat, nicht wieder gutmachen.
Warum war er nicht seiner Intuition gefolgt und hat sie überwachen lassen? Er macht
sich Vorwürfe, schlimme Vorwürfe.
»Bitte,
lieber Gott«, betet er laut, »lass sie nicht sterben.«
Er weiß
nicht, wann er das letzte Mal gebetet hat. Doch in diesem Moment hofft er, dass
es so etwas wie einen Gott geben möge, der seinen verzweifelten Hilfeschrei hört.
80
Kaum ist Möller in der Kripo-Leitstelle
angelangt, ruft ihn Pola an, der bestätigt, dass alles nach Plan laufen würde. Er
habe durchgesetzt, dass die am Küsnachter Tobel gefundene Kaugummiverpackung und
der blutige Stein mit höchster Priorität analysiert würden.
Auf seinem
Schreibtisch findet er endlich die DNA-Vergleiche vom Pflugstein. Gespannt überfliegt
er den Bericht. Sowohl der Kaugummi als auch eine der Zigarettenkippen ergaben je
einen schlagenden Beweis. Der Kaugummi konnte Herkules, die Kippe Engel zugewiesen
werden.
Er versinkt
ins Grübeln. Vielleicht gibt es dafür eine ganz einfache Erklärung, erwägt er. Viktoria
zufolge hat Engel erst nach Rofflers Verschwinden wieder angefangen zu rauchen.
Dies tat er auch, als er mit ihr den Tatort besichtigte. Er hätte also in der Mordnacht
gar keinen Zigarettenstummel hinterlassen können, sofern seine Aussage stimmte.
Bei Herkules hingegen bleibt der Verdacht bestehen, da er mit großer Wahrscheinlichkeit
schon vor Rofflers Tod ständig am Kaugummi kauen war.
Er holt
sich einen Kaffee vom Automaten und setzt sich anschließend mit den Kollegen zusammen,
die an diesem Sonntag Bereitschaftsdienst haben, um sie über den neusten Stand der
Ermittlung zu unterrichten.
Nach der Sitzung ruft er die Staatsanwältin
an. Als Kurtz endlich abnimmt, hört er im Hintergrund laute Stimmen, Musik und Gläserklirren.
»Wo sind
Sie?«, erkundigt er sich.
»Im Dolder
Grand . Ich kann Sie nur schlecht verstehen.«
»Ich muss
Sie dringend sehen«, fährt er fort.
»Tut mir
leid, aber das ist
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