Pforten der Hoelle
er.
Lilith entspannte sich ein klein wenig, als sie nach kurzer, aber eingehender Musterung nichts Verdächtiges in seinen Zügen fand. Er sah sie nur an, und selbst die altgewohnte Feindseligkeit ließ er vermissen. Lediglich in seinen Augen glomm es düster, aber der dunkle Glanz schien Lilith weder Ausdruck von Zorn noch Haß zu sein, sondern vielmehr eine seltsame Abart von Verzweiflung und Trauer. Als hadere Landru mit seinem Schicksal, und als stünde er an der Grenze zur Resignation, wie an der Kante eines gähnenden Abgrunds, überlegend, ob es nicht besser wäre, sich einfach fallen zu lassen.
»Warum bist du hier?« wiederholte Lilith seine Frage.
Landru wandte den Blick zum Tor, an dem er hockend lehnte.
»Seinetwegen.«
»Wie ich«, sagte Lilith.
Dann erzählten sie, ohne daß einer den anderen dazu aufforderte. Sie taten es abwechselnd und stellten dabei Parallelen fest, die zwischen ihren jüngsten (und doch so lange vergangenen) Erlebnissen bestanden.
Sie waren beide unfreiwillig durch das Tor unter dem Bergkloster gegangen, auf der anderen Seite mit ihren ureigensten Ängsten konfrontiert worden und in die Vergangenheit, in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges entkommen. Sie waren in fremde Körper verbannt worden, Beth MacKinsay begegnet - und hatten schließlich dem Satan selbst gegenüberstanden.
Landru hatte diesen Kontakt schon beim ersten Mal nicht »überlebt«. Lilith war ihm mehr als einmal begegnet - und hatte sie geholfen, ihn auszutreiben, ihn zu verjagen aus der Welt der Menschen? Sie wußte die Antwort selbst nicht.
Landru indes war, nachdem es ihn aus dem Leib des Vampirs Ra-coon gerissen hatte, mit Verdammnis gestraft worden. Er war dazu verflucht gewesen, ein Dasein als Mensch zu führen, in einer illusionären Welt, wo ihm auf Schritt und Tritt seine als Hüter des Kelchs begangenen »Sünden« zu Fallstricken und zur Geißel geraten waren. 4
»Wie kommt es, daß du nichts davon weißt?« fragte er. »Du warst es doch, die hinter all dem stand, was ich zu erdulden hatte.«
Mißtrauisch beäugte er Lilith. Sie fühlte sich unter diesem Blick unbehaglicher denn je zuvor. Fast unbewußt befahl sie ihrem Sym-bionten, sie »hochgeschlossener« zu kleiden. Zähe Schwärze begann zu kriechen und blasse Haut zu bedecken.
Landru quittierte es mit schiefem Grinsen.
»Offenbar«, antwortete Lilith schließlich auf seinen Einwand, »wurde mein Körper als Marionette mißbraucht. Da ich ihn - ebenso wie du den deinen - unversehrt zurückerhalten habe«, sie strich sich über Hüften und Schenkel, als müßte sie sich vergewissern, daß es sich dabei tatsächlich um ihre handelte, »wird man ihn gewissermaßen >eingelagert< haben. Und während ich noch drüben war, konnte er unter fremder Kontrolle dir gegenübertreten.«
Landru verzog abschätzig die Lippen. »Mag sein. Und was du von deinem >Abschied< aus der Vergangenheit erzähltest, könnte die Ursache für jenes Beben gewesen sein, das mich aus der Verdammnis erlöste. Die Macht, die hinter all dem steht, schien für einen Moment die Kontrolle über ihr Wirken zu verlieren. Das verfluchte Schmierentheater, das für mich inszeniert worden war, stürzte ein, und so konnte ich entkommen.«
»Bist du so sicher, der Verdammnis entkommen zu sein?« fragte Lilith. Ein müdes Grinsen huschte über ihre erschöpften Züge.
Landru sah sie nur fragend an.
Sie wies vage ins Nichts um sie beide herum. »Ist das nicht unsere größte Verdammnis - du und ich, allein an diesem Ort?«
Landru knurrte mürrisch. »In der Tat. Ich hatte selten üblere Gesellschaft.«
»Danke, gleichfalls.«
Sie schwiegen eine Weile. Dann, als die Stille unangenehm wurde, begann Lilith: »Wollen wir tatenlos hier herumsitzen?«
»Was willst du tun?« fragte Landru zurück. »Da hinaus gehen?« Er deutete über die basaltene Ebene. »Das dürfte uns schlecht bekommen.« Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Es gibt jedoch etwas, das ich nicht mehr allzu lange im Zaum werde halten können.«
Er benannte es nicht, aber Lilith wußte ohnedies, wovon er sprach. Nicht zuletzt deshalb, weil sie es ebenso, vielleicht sogar ärger spür-te als er. Durst .
Sie nickte zögernd.
»Es würde wenig Sinn machen, wenn wir uns hier bekämpfen -bis aufs Blut«, meinte sie. »Wir sollten - nun ja, haushalten.« »Was schlägst du vor?«
»Es gäbe wohl eine Möglichkeit, mit der uns beiden gedient wäre. Dazu bedürfte es allerdings einer Voraussetzung .« »Und die
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