Pforten der Nacht
noch ungewiss war.
Plötzlich lachte er auf, so laut, dass alle Köpfe zu ihm herumfuhren und manch einer froh zu sein schien, nicht mit dem seltsamen Hasenschartigen auf einer Bank sitzen zu müssen.
Natürlich - das war es! Die Zeit der Handwerker. Die Zeit der Händler. Die Zeit der Mönche. Allen dreien würde er sein Wunderwerk anbieten. Nur so konnte er herausbekommen, wem es am wertvollsten und damit teuersten war. Bisher existierte nur ein einziges Exemplar, in unzähligen abgesparten Stunden erdacht und wieder verworfen, konstruiert, geschnitzt, bemalt. Aber das konnte sich schnell ändern. Dafür allerdings musste er seinen Auftraggeber erst kennen.
Und wenn es der Kurfürst selber werden würde?
Warum nicht? Seinen Ornat im Safranbad jedenfalls hatte er ihm bestens besorgt.
Guntram lachte abermals, diesmal leiser, während er seinen Ärmel nach oben schob und sich zu kratzen begann, weil der Juckreiz unerträglich geworden war. Die Pusteln an seinen Armen waren dick und grellrot. Und wenn schon! Nicht einmal die blutig gekratzten Stellen kümmerten ihn mehr.
Wenn er einigermaßen Glück hatte, musste er vielleicht bald nicht mehr an die stinkenden Pötte, sondern könnte als gemachter Mann um Lea freien.
Ein Himmelsgeschenk für das Teufelsmaul - weshalb eigentlich nicht? Beim Gott der Juden hatte er schließlich seit Langem noch etwas gut.
Er leerte seinen Beutel, zählte die Vierlinge auf den Tisch und gönnte Ursula nur einen kurzen Blick, bevor er mit seinem Rucksack wieder nach draußen stolzierte. Wortlos, grußlos, ruppig, wie es eben so seine Art war.
Sie wischte ihre Hände an der Schürze ab und schaute ihm durch das offene Fenster hinterher, bevor sie das Geschirr abräumte. Sein Gang war gleichmäßig, seine Haltung aufrecht, als sei er vollkommen nüchtern. Dann verzogen sich ihre Lippen zu einem dünnen Lächeln. Man musste ihn sehr gut kennen, um zu ahnen, was wirklich in ihm vorging. In all den Jahren im Haushalt des Färbers hatte sie sich große Mühe gegeben, darin eine Art Meisterschaft zu entwickeln. Guntram war aufgeregt, das wusste sie, und ängstlich zugleich, das fühlte sie. Und er hatte sich offenbar etwas vorgenommen, von dem er noch nicht genau wusste, wie es zu bewerkstelligen war.
Sie verstand nichts von dem hölzernen Zeug, das er im Schuppen versteckte und eifersüchtiger bewachte als ein Liebhaber seinen Schatz. Aber sie hätte schwören können, dass es nur damit zu tun haben konnte.
»Und Ihr wollt dem Possenspiel nicht allmählich ein Ende bereiten und mich entlasten?« Der Lombarde mit den seltsamen goldenen Augen starrte Jan van der Hülst gespannt an.
»Warum sollte ich?« Von draußen war übermütiges Kinderquietschen zu hören, dann die ärgerliche Stimme einer Frau, die in schnellem Italienisch zu schimpfen begann. Schließlich sprang die Tür auf, und ein kleines Mädchen mit rotblonden Haaren und einer Rotznase lief herein.
»Papa!«, rief sie fröhlich. »Papa, Papa! Papa, ich will mit auf dein Pferd. Bitte!«
»Welchen von uns beiden sie wohl meint?«, versuchte Paolo di Marco Datini zu scherzen. »Euch - oder mich? Meine Frau wird langsam ungeduldig und drängt mich, wie versprochen, mit der Familie nach Hause zurückzukehren. Weil die Töchter allmählich erwachsen werden und auf keinen Fall in der Fremde heiraten sollen. Tag für Tag liegt sie mir damit in den Ohren. Ich kann es schon nicht mehr hören!«
»Dann erfüllt ihr doch den Wunsch und lasst sie nach Prato zurückkehren«, erwiderte der Kaufmann ungerührt. »Euch jedoch brauche ich nach wie vor hier. Bis auf Weiteres.«
Datini senkte sein Haupt, neigte sich leicht und verschwand. Er hatte verstanden, abermals verstehen müssen. Ein Wort würde genügen, und sein befristetes Bürgerrecht in Köln würde vom Schöffenkolleg nicht verlängert werden. Gleiches galt für die teuer erkaufte Sondergenehmigung, seine Geschäfte hier im Burgfrieden betreiben zu dürfen. Dabei schien sich gerade eine sehr vielversprechende Entwicklung abzuzeichnen, an der er unbedingt teilhaben wollte. Gerüchten zufolge plante Erzbischof Walram die Errichtung einer hiesigen Bank nach italienischem Vorbild. Angeblich verunsichert durch die Vorfälle in Worms, sei er entschlossen, der jüdischen Pfandleihe in Köln so schnell wie möglich ein Ende zu bereiten. Alles natürlich nur im Sinn der Bürger, die er in seiner Funktion als Stadtherr zu schützen habe. Und, was Paolo di Marco Datini als das
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