Pforten der Nacht
dankbaren, fassungslosen Blick hatte sie bis heute nicht vergessen. Für kurze Zeit hatte sie sogar mit der Idee gespielt, der ständig kränkelnden Hilla Nägel oder ein giftiges Kraut unter das Essen zu mischen, um selber Frau Meisterin zu werden; inzwischen aber war sie froh, dass sie es bei der Vorstellung belassen hatte. Hermann als Ehemann und seine verrotzten Töchter als Dreingabe dazu waren wirklich nicht das, was sie sich erträumt hatte!
Sie hatte es nicht einmal schlecht getroffen. Denn glücklicherweise verlangte er nicht, dass sie ihm etwas vorspielte, sondern begnügte sich damit, sich ihrer rasch und wortlos zu bedienen. Inzwischen wusste sie, wie sie es anstellen musste, um es noch schneller hinter sich zu bringen: sich scheinbar wehren, um dann doch zu erliegen, halblaut stöhnen und die Nägel fest in seinen fleischigen Rücken bohren. Sie hatte mittlerweile genügend Erfahrung, um zu wissen, dass er ein lausiger Liebhaber war, dessen Manneskraft noch dazu rasch erlahmte. Aber nachdem ihr sehr bald klargeworden war, dass dieses Opfer die Garantie für ihren weiteren Aufenthalt in der Familie war, war sie entschlossen, es zu bringen, solange es nötig war.
Wenigstens war sie bisher vor einem dicken Bauch verschont geblieben! Ihr stand der Sinn nicht nach schreienden Bälgern, das war gewiss. Vielleicht lag es daran, dass sie die Anweisungen der fetten Vagantin peinlich befolgte, das sorgfältige Waschen ihrer Scham mit Essigsud, sobald sich der Mann zurückgezogen hatte, vor allem jedoch das Einnehmen der bitteren Petersiliensamen, sollte sich der Monatsfluss doch einmal zu spät einstellen. Früher oder später würde es sie vermutlich trotzdem erwischen, wie alle Weiber, die noch heute dafür büßen mussten, dass sie Adam versucht hatten. Dann jedoch blieb noch immer Zeit genug, sich darüber Gedanken zu machen, was sie anstellen konnte.
Ursula warf einen prüfenden Blick in den halb blinden Kupferspiegel, den sie Hilla durch Schmeicheln und Betteln abgeluchst hatte. Sie war keine Schönheit, aber eine, die auffiel. Der größte Trumpf war ihre Jugend; sie musste um die sechzehn Jahre alt sein, wenn es einigermaßen stimmte, was der alte Walther immer gefaselt hatte, der sie angeblich schon als Säugling ihrer Mutter abgekauft hatte. Geboren in einer Weihnachtsnacht, was als glückbringendes Zeichen galt. Ihre schrägen schwarzen Augen versprachen Genüsse, auf die Männer aus waren, ihr aufreizender Gang, den sie lange geübt hatte, und die schweren Brüste, ein Geschenk von Mutter Natur, taten das Ihrige.
Sie hatte sich schon von einigen besteigen lassen, bei Jahrmärkten oder in der Fastnacht, manchmal sogar im Schuppen neben dem »Schwan«, ohne großes Gefackel, scheinbar aus einer hitzigen Laune heraus und willenlos, aber in Wirklichkeit war sie es, die ganz bewusst auswählte. Jeder, den sie zwischen ihre Beine ließ, diente ihr dazu, mehr über die Männer zu erfahren. Mit jedem, der an ihrem Hals keuchte, lernte sie mehr über das ganze Geschlecht. Früh hatte sie damit angefangen, und alles andere als freiwillig. Walther hatte ihr nicht viel Zeit gelassen, ein Kind zu sein, sondern sie schon bald gezwungen, ihm in allerlei Hinsicht zu Diensten zu sein. Zunächst hatte er sie wie einen Knaben benutzt, und später, als sie noch lange nicht geblutet hatte, mit ihr wie mit seiner Frau gelebt. Immer noch besser, als wenn er sie verstümmelt oder geblendet hätte, wie andere Bettler die Kinder, die ihnen in die Hände fielen, um die Leute zu rühren und auf diese Weise mehr Pfennige bei mitleidigen Bürgern einzusammeln, da machte sie sich nichts vor. Sie kannte den Preis, den es zu bezahlen gab, damals wie heute.
Besonders, wenn man etwas Besonders vorhatte wie sie.
Denn einen gab es, der schien ihr anders als all die anderen Männer. Am hungrigen Blick, an der schnellen Reaktion hatte sie ihn erkannt, die Fährte aufgenommen und seitdem nie mehr verlassen. Es kostete sie Mühe, nicht ungeduldig zu werden, aber Ursula war überzeugt, dass das Warten sich lohnte. Noch sperrte sich Guntram zwar und tat, als ob er nicht verstehe, auf was sie hinauswolle, oder nicht einmal an ihr interessiert sei, aber sie wusste es besser. Sein Körper, das hatte sie mehrmals schon ausprobiert, sprach eine ganz andere Sprache. Er musste ihren nur berühren, und schon stand sie in Flammen.
Es war mehr als eine Ahnung, dass es ihm ähnlich ging.
Wie magisch fühlte sie sich von ihm angezogen. Vielleicht
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