Pforten der Nacht
Allerbeste an der Geschichte erschien, natürlich nur mit der Hilfe der Italiener, die sich schon seit geraumer Zeit hier angesiedelt hatten.
Er gestattete sich ein Grinsen und warf einen letzten Blick auf das Haus zurück, in dem Nana und die Kleine lebten. Eigentlich kein allzu großes Opfer, sie regelmäßig zu besuchen, um den Schein zu wahren. Wenngleich vielleicht auch in anderem Sinn, als van der Hülst annehmen konnte. Schließlich war er wendig und ausgesprochen vielseitig. Zudem, wie seine umfangreichen Grundstückserwerbungen in den Schreinskarten eindeutig bewiesen, ein Mann, der gewohnt war, zur rechten Zeit am richtigen Platz zu sein.
Jan van der Hülst legte dem Kind die Hand auf den Kopf, nachdem der Lombarde endlich fort war, nur einen Augenblick lang, dann verzog sich sein Mund. Sie war niedlich, die kleine Cäcilia, die Susanna ihm geboren hatte, aber trotzdem nicht der Sohn, den er so sehnlich erwartet hatte. So war er froh, als sie wieder nach draußen zu der Magd lief, die auf sie aufpasste. Vielleicht wäre alles anders gekommen, hätte tatsächlich jener so sehr ersehnte Sohn namens Andrea das Licht der Welt erblickt. Dann bewohnte er womöglich schon mit seiner neuen Familie das stattliche Haus im Kronengässchen, das er jetzt eher widerwillig Rutger für dessen junge Ehe überlassen würde, und Bela wäre endlich da, wo er sie am liebsten gehabt hätte: in einem tiefen, kühlen Grab. So aber war alles geblieben wie eh und je. Es gab die Lügen, das Kontor, und es gab noch immer die ungeliebte Ehefrau, auf deren finanzielle Unterstützung er seit dem großen Verlust, den er vor nicht zu langer Zeit erlitten hatte, zudem auch noch angewiesen war.
Es hatte sich um eine gewaltige Ladung zyprischen Pfeffers gehandelt, nach wie vor eines der teuersten Gewürze, die er von Alexandria über Genua nach Köln transportieren wollte, zudem um reichlich Baumwolle und säckeweise Ingwer sowie raues Wolltuch aus dem Balkan, schiavina genannt, das vor allem für Decken und Pilgergewänder verwendet wurde. Aber das Schiff erreichte niemals den italienischen Zielhafen, sondern ging irgendwo auf dem Mittelmeer in Flammen auf. Mit an Bord waren 1547 Tierhäute, 128 Sack Waid, drei Sack Galläpfel und 35 Ballen Samt. Kein Einziger der Besatzung überlebte, und falls doch, dann war er schlau genug, dem zornigen Kaufmann aus Köln nicht unter die Augen zu kommen.
Jan van der Hülst wurde bleich, dann rot, als ihn die Nachricht erreichte. Auf einmal taten ihm wieder die Brust und der linke Arm weh, wie schon des Öfteren seit dem letzten feuchten Winter. Der Medicus, den er deswegen konsultiert hatte, hatte ihn zur Ader gelassen, Aufregungen verboten und gestoßenes Gold in winzigen Dosierungen verordnet. Aber er fühlte sich weiter elend und krank. Kein Wunder, hatte er doch mit diesem Unternehmen viel riskiert und alles erreichen wollen - und mit einem Schlag ein Vermögen verloren. Immer wieder studierte er die Seekarten, nächtelang grübelte er über seinen Unterlagen und Berechnungen. Dann fasste er sich ein Herz und klopfte kurz vor Mitternacht an Belas Schlafkammer. Zu seiner Überraschung schloss sie von innen auf, und als er sie wortlos zur Bettstatt zog, sagte sie kein Wort, sondern lächelte ihn nur seltsam an. Am nächsten Morgen leistete sie die Unterschriften, die er von ihr verlangt hatte; am kommenden Abend war die Kammertür halb geöffnet, und er trank einige Becher gewürzten Weins, bevor er abermals seine Gattin beglückte.
So ging es über Wochen, bis er zu seiner Verblüffung die Kammer verschlossen gefunden hatte, wie die vielen Jahre zuvor. Er war alles andere als böse darüber gewesen. Offenbar hielt Bela ihr Geschäft auf Gegenseitigkeit für beendet. Umso besser. Denn was ihn betraf, so gab es Arbeiten, die wesentlich einfacher und vor allem angenehmer zu erledigen waren.
Susanna Tarlezzo schien zu ahnen, was sich abgespielt haben könnte, aber sie war entweder zu klug oder zu raffiniert, um auch nur eine Silbe darüber zu verlieren. Als man das Kind nach langen, schmerzhaften Wehen aus ihrem Leib gezogen hatte und sie sein Geschlecht gesehen hatte, drehte sie sich nur schweigend zur Wand. Sie weigerte sich, Cäcilia zu stillen, und bestand auf einer Amme. Sie war nicht unfreundlich zu der Kleinen, aber alles andere als eine überschwängliche Mutter. Ein paar Wochen nach der Geburt war ihr Leib wieder so schlank und straff, als hätte er niemals ein Kind getragen, und zwischen
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