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Pforten der Nacht

Titel: Pforten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Rücken und schnarchte leise mit geöffnetem Mund.
    »Ist mir trotzdem zu kalt - viel zu kalt!«
    Er zögerte einen Moment, dann streifte er auch die Hose ab und lief nackt zum Fluss. Prustend ließ er sich hineinfallen, machte ein paar Züge und kam tropfnass nach kurzer Zeit wieder ans Ufer. Ohne sich um ihren Protest zu kümmern, warf er sich einfach auf sie und begann sie zu kitzeln. Sie wand sich lachend unter ihm, spielerisch, wie so viele Male zuvor, dann aber veränderten sich ihre Bewegungen. Der Rocksaum war hochgerutscht, Haut traf auf Haut. Beim Mieder standen ein paar Knöpfe offen. Ihr Brustbein war so glatt wie Stein, aber viel, viel heißer.
    Er berührte ihre Lippen, schmeckte ihren Atem. Wenn er sich ihr nicht jetzt offenbarte, würde er es niemals tun. Esra nahm all seinen Mut zusammen. Und wenn er dabei sterben würde, er würde - er musste es endlich tun!
    »Ich liebe dich schon so lange, meine Anna«, flüsterte er, und seine Seele war vor ihr so nackt und bloß wie sein kühler, nasser Körper. »Immer habe ich dich geliebt. Seitdem ich denken kann. Ich kann einfach nicht damit aufhören.«
    Sie ließ sich küssen, widerstandslos. Ein schwacher Zimtgeruch schlug ihm entgegen, der ihn erregte. Er bewegte sich sehr sanft auf ihr. Ihre Hüftknochen stießen aneinander. Sein Unterleib pochte voller Verlangen.
    »Das dürfen wir nicht, Esra«, kam fast unhörbar ihre Antwort. Aber sie hielt ganz still unter ihm, wie atemlos.
    »Doch, das dürfen wir«, widersprach er. »Allein deinetwegen bin ich zurückgekommen, Anna.« Jede Angst, alle Zweifel waren plötzlich ausgeräumt. Endlich wurde sein Traum wahr. Schöner und aufregender als jede Vorstellung. Mutiger fuhr er fort. »Weißt du, was schlimmer sein kann als die ärgste Verzweiflung? Die Hoffnung. Sie hat mich beinahe aufgefressen, all die Jahre lang. Und trotzdem konnte ich niemals von ihr lassen. Inzwischen weiß ich eines: Ohne dich kann ich nicht leben. Nicht einmal in der schönsten Stadt der Welt.«
    Sie machte eine Bewegung, als wolle sie ihm ausweichen, und auf einmal spürte er alles noch viel intensiver: ihren harten, gepolsterten Hügel; die Fülle der Brüste; ihren Körper, der sich unter dem fadenscheinigen Stoff weicher und schmiegsamer anfühlte als die kostbaren Samte aus del Pontes Kisten.
    »Esra«, murmelte sie. »Esra. Esra!«
    Da war nichts, was er noch hätte sagen können.
    Überwältigt von so viel warmer Nähe stieß er einen jähen Schrei aus. Und ergoss sich über ihre Schenkel, zitternd, ganz und gar gefangen in ihrem Duft.
     
    So würde er mit Lea reden, so es beginnen. Unzählige Male hatte sich Guntram den Dialog schon zurechtgelegt, und auch jetzt, während er im Sonnenschein am Rheinufer entlangschlenderte und dabei aufmerksam nach passenden Steinen für sein Wunderwerk suchte, spann er das stumme Gespräch innerlich weiter.
    »Es gibt drei Dinge, von denen der Mensch behaupten kann, sie gehörten ihm wirklich: der Leib, die Seele …«
    »Und was wäre das dritte?« Er musste sich nicht einmal anstrengen, um ihre süße Stimme zu hören. Sie begleitete ihn ohnehin, wohin er auch ging, was er auch tat.
    »Oh, etwas wirklich Kostbares!« Er war entschlossen, sie noch eine Weile zappeln zu lassen. »Diese Hände und die Augen besitze ich nicht im gleichen Maße.«
    Sie würde verstummen, über das Rätsel nachdenken, und er konnte genau vor sich die kleine blaue Ader an ihrer Schläfe pochen sehen, die ihn jedes Mal besonders zärtlich stimmte.
    »Verrätst du es mir? Bitte!«
    »Die Zeit, mein Liebes, die Zeit …«
    Das da konnte sein, wonach er seit Langem Ausschau gehalten hatte! Guntram bückte sich, nahm den Flintstein auf, wog ihn nachdenklich in seiner Hand. Er glänzte metallisch im hellen Mittagslicht, schien genau das richtige Gewicht zu haben. Sollten die anderen nur in der Messe knien und den Leib des Herrn empfangen - er hatte hier draußen Besseres zu tun! Er ließ den Stein in den Rucksack zu den anderen gleiten, die er bereits gesammelt hatte. Vorsichtshalber würde er noch eine Weile weitersuchen. Den endgültigen Beweis der Tauglichkeit musste ohnehin die Probe mit der einfachen Wasseruhr liefern, die er nur zusammengebaut hatte, um das rechte Zeitmaß zu überprüfen.
    Er streckte sich, dehnte die Glieder. Jetzt konnte er seine Wanderung am Fluss erst genießen. Denn seine Arbeit war nahezu vollendet.
    Lange hatte es gedauert, bis er seinen Traum vom Schmieden endgültig begraben hatte und

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