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Pforten der Nacht

Titel: Pforten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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offene Feuerstellen, an denen ganze Schweine und Kapaune am Spieß gebraten wurden, Wagenladungen voller Brot, Töpfe mit dampfender Grütze. Der rasche Verzehr ließ nicht lange auf sich warten. Ohne sich mit Löffel und Messer erst abzumühen, rissen die Hungrigen mit den Händen ganze Stücke herunter und verschlangen sie auf der Stelle. Andere stürzten sich auf die Grütze, als hätten sie tagelang nichts in den Magen bekommen.
    Musikanten spielten fröhliche Weisen, Mandolinen, Flöten, Trommeln erklangen. Für einen Augenblick musste Anna an Bocca denken und welch einträgliches Geschäft dieser Tag für ihn und seine Künste bedeutet hätte. Dann verschloss sich ihr Gesicht. Die Augen wurden schmal. Sie erkannte ihn sofort, obwohl er so mager geworden und sein Schädel frisch geschoren war. Es gefiel ihr, dass er bei ihrem Anblick zusammenzuckte, und es hätte ihr noch besser gefallen, wäre er mehr erschrocken, dann aber glätteten sich seine Züge wieder. Zu schnell für ihren Geschmack.
    Johannes stand an einer der Feuerstellen, ein Stück Brot in der Hand. Um seinen Körper schlotterte eine zerschlissene Mönchskutte. Er war barfuß, trug nicht einmal Sandalen an den Füßen.
    »Anna!«, stieß er hervor. »Du hier?«
    Sie nickte. »So hast du nach allem schließlich doch erreicht, was du dir immer gewünscht hast«, sagte sie ruhig, überrascht, dass der alte Schmerz zwar aufflammte, sie aber nicht gänzlich überrollte, »und bist tatsächlich ein Mönch geworden.«
    »Ja, endlich habe ich vollbracht, was der heilige Franz uns vorgelebt hat: meine Reichtümer verbrannt, die Tinte ausgeschüttet. Meinem Vater den reichen Rock zurückgegeben. Denn wer ein Haus besitzt, wird eine Tür und ein Fenster, und wer einen Acker besitzt, zum Ackerboden. Alles Schlangen, die sich um deinen Hals legen und dich erwürgen. Nun gehöre ich zu den freiesten Menschen der Welt, weil wir die ärmsten sind. Und damit Gott am nächsten.«
    »Worte«, sagte sie wegwerfend. »Nichts als Worte.«
    »Aber wichtige Worte, lebensnotwendig, weil sie die reine Wahrheit sind!« Seine Augen flogen über ihr Gesicht. »Und du, Anna?«
    »Ich?« Sie stieß ein kurzes, bitteres Lachen aus. Irgendwo, ganz hinten in ihrem Kopf, schlug mahnend die leise Stimme Michas an, aber sie war entschlossen, sie zu überhören. »Was soll mit mir schon sein? Einen alten Gerber habe ich zum Mann. Ein Kind unter Schmerzen geboren. Und arbeiten muss ich den ganzen Tag, um nicht bitter arm zu werden. Ob das Freiheit ist? Das sollen Klügere als ich bestimmen! Aber wenigstens lebe ich, Johannes. Und atme. Meinen eigenen Tod habe ich schon einmal überlebt. Wenngleich nicht ohne gewisse Mühen. Und für einen hohen Preis.«
    Beide schwiegen.
    »Bitte verzeih mir, Anna«, sagte er schließlich. »Gott hat mir vergeben. Vergib mir nun auch du!«
    »Das kann ich nicht«, erwiderte sie müde. »Und vergessen kann ich es noch weniger. Und wenn ich hundert Jahre alt werden sollte!«
    Er war ihrem Blick gefolgt. Flora hatte irgendwo ein Stöckchen gefunden und drosch mit ihm nun fröhlich auf das verbrannte Gras ein.
    »Du willst doch damit nicht sagen, dass das unser …« Seine Stimme erstarb. »Ich wollte niemals ein Kind zeugen. Ich bin ein Diener des Herrn. Ihm gehört meine Seele.«
    »Das ist mein Kind, Mönch«, kam scharf ihre Antwort. »Mein größter Schatz, gezeugt im bittersten Leid. Flora zuliebe bin ich noch am Leben, nicht meinetwegen. Obwohl etwas Kostbares in mir in jener Fastnacht für immer gestorben ist.«
    »Versteh mich recht, Anna, aber mein Stock, meine Sandale, mein Brot ist Gott! Er hat mich gerufen. Ich bin sein. Ich kann nicht anders. Selbst wenn ich wollte.« Er wollte sie berühren, sie aber wich vor ihm zurück, als ströme Schwefelgeruch von ihm aus.
    »Gott, Gott, hör auf mit deinem Gott! Ich kann es nicht mehr hören!« Sie presste ihre Hände an die Ohren. Flora sah erschrocken zu ihr auf.
    »So sehr hasst du mich?« Seine Stimme war nur ein Wispern. »Dass du das schmähen musst, was mich bis in die letzte Faser erfüllt?«
    Sie trat ganz nah zu ihm, als wolle sie ein Geheimnis direkt in sein Ohr gleiten lassen.
    »Ich hasse dich nicht«, sagte sie und betonte jedes Wort. »Du dauerst mich vielmehr. Weil du nämlich in Wahrheit nicht bei Gott bist, wie du in deinem Wahn glaubst, sondern vor dem Leben davonläufst, mit all deiner Möncherei. Eigentlich bist du schon tot. Du merkst es nur noch nicht. Aber das ist ganz und gar

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