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Pforten der Nacht

Titel: Pforten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Überlebenden eines Massakers, das sich während der letzten Apriltage in der Mainstadt abgespielt hatte.
    Im Juli kam eine Handvoll aus Frankfurt, abgemagert und vollkommen erschöpft. Zwei von ihnen starben noch in der ersten Woche, die anderen zu retten gelang allein der Heilkunst Salomons, der kaum noch aß und nicht schlief, bis sie endlich außer Lebensgefahr waren. Jakub und seine Familie mochten kaum glauben, was sie ihnen erzählten, als sie wieder halbwegs genesen waren.
    »Kaiser Karl hat der Bürgerschaft Straffreiheit zugesichert, bevor sie uns überfallen haben. Sie wussten also, dass sie kein Risiko eingehen. Umso brutaler und bedenkenloser sind sie mit uns verfahren.«
    »Aber er ist doch unser Schutzherr und wir seine Kammerknechte«, wandte Jakub matt ein. »Keiner darf seinen Juden auch nur ein Haar krümmen!«
    »Uns hat er mit der Salvationsklausel regelrecht an den Rat der Stadt Frankfurt verpfändet«, lautete die resignierte Antwort des Ältesten. »Für 12 500 Pfund, als Deckung der Kosten, die ihm durch die Schlichtung politischer Wirren nach dem Tod des Gegenkönigs entstanden waren. Damit erhielten die Reichsstädter das Recht, unser Eigentum zu verkaufen. Und mehr als das. Ist der Kreditgeber tot, so erlöschen in der Regel auch seine Forderungen. Nicht aber bei uns! Der Rat trat in vollem Umfang an unsere Stelle; unsere einstigen Schuldner sind nun die seinen. Damit dürften die Probleme eines ständig leeren Stadtsäckels fürs Erste gelöst sein.«
    »So etwas könnte hier in Köln niemals passieren!«, rief Jakub. Recha, Aaron und Esra tauschten einen raschen Blick. »Der König hat uns erst vor wenigen Monaten besucht und alle diesbezüglichen Abmachungen mit der Stadt ausdrücklich bekräftigt. Unser Rat hat die Ereignisse in Straßburg ganz offiziell missbilligt. Außerdem haben wir zusätzlich erst jüngst bei Erzbischof Walram einen neuen, sehr viel umfangreicheren Schutzbrief erworben …«
    »Der Rat kann seine Meinung ändern, wenn bestimmte Ereignisse ihn dazu veranlassen. Und hast du ganz vergessen, dass sich der Kurfürst seit Mai auf Reisen befindet?«, unterbrach ihn Recha. »In Paris soll er sich inzwischen aufhalten. Seine Rückkehr ist, wie man hört, ganz und gar ungewiss. Mit ihm können wir also nicht rechnen. Wir sind ganz und gar auf uns allein gestellt.«
    »Gott wird uns nicht verlassen«, wandte Jakub ein. »Wir sind sein auserwähltes Volk.« Aber er hatte schon wesentlich überzeugter geklungen.
    Was jedoch sollten sie ganz konkret unternehmen, um das Unheil abzuwenden, das jeden Tag über sie hereinbrechen konnte? Wie und auf welche Weise sich schützen gegen einen unsichtbaren Feind, der allein schon deshalb umso gefährlicher und heimtückischer war, weil man niemals mit Bestimmtheit sagen konnte, wie und wo er als Nächstes zuschlagen würde?
    Die Berichte und Gerüchte überschlugen sich förmlich; jeder, der auf Reisen gewesen war und nach Hause zurückkehrte, wusste noch Entsetzlicheres, noch Ungeheuerlicheres zu berichten. In Basel hatte sich angeblich eine Begine mit den dort ansässigen Juden zusammengetan, ein widerliches Pulver aus Monatsblut, Urin, geweihten und anschließend im Mörser zerstoßenen Hostien sowie Schierling bereitet, es in Leinensäckchen gefüllt und in mehrere Brunnen versenkt. Prompt erkrankten viele Menschen, wenn auch nicht an der Pest, sondern an den Pocken, die zur gleichen Zeit in der Region grassierten und viele Tote forderten. Die der Freveltat Beschuldigten wurden gelyncht oder öffentlich hingerichtet. Dass man die besagten Säckchen nirgendwo gefunden hatte, spielte dabei keine Rolle; das Geständnis eines einzigen reuigen Leprösen, der ebenfalls seine Hände mit im Spiel gehabt haben sollte, genügte vollauf.
    Seitdem verbreitete sich das Gerücht der Brunnenvergiftung und der damit drohenden Pestgefahr wie ein Lauffeuer im ganzen Reich. Die Christen murrten, fühlten sich bedroht - und schlugen erbarmungslos zurück. Die Juden Kölns hatten längst damit begonnen, jede Nacht Wachen aufzustellen, die ihre Tore kontrollierten; einige der jungen Männer hatten ein paar eher lächerlich anmutende Waffen zusammengetragen. Denn was nützten schon Messer und Dolche, Holzprügel und primitive Steinschleudern, wenn der erzürnte Pöbel einer ganzen Stadt die Häuser der Juden stürmte und die Obrigkeit, wie vielerorts geschehen, einfach tatenlos dabei zuschaute?
    Noch schien alles ruhig, aber es war die trügerische Ruhe

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