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Pforten der Nacht

Titel: Pforten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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»Ich will sie dir nicht stehlen, und ich kann es nicht. Denn ich gehöre Gott. Aber ich habe niemals aufgehört, sie zu lieben. Und dich liebe ich auch, Esra. Wie habe ich dich immer beneidet, um deinen Mut, deine Kraft, deine Männlichkeit! Wie heiß mir gewünscht, ich wäre wenigstens ein bisschen wie du! Aber ich war es nicht. Niemals!«
    Er beugte sich hinüber, legte unbeholfen seinen Arm um Esra. Der hielt ganz still, bewegte sich nicht. Hatte die Lider geschlossen.
    »Und ich wollte so sein wie du«, flüsterte Esra. »Ein schöner Junge aus reichem, feinem Haus. Dem die ganze Welt offenstand. Und den die Mädchen anbeteten. Von dem nicht einmal Anna die Augen lassen konnte, an dessen Lippen sie hing. Kein Jude, der immer nur von außen zusehen muss. Ich habe dich gehasst dafür, Johannes, dass dir alles immer zugeflogen ist, und angebetet im gleichen Augenblick. Töten können hätte ich dich und umarmen in einem.«
    Ich träume, dachte Anna, die kaum zu atmen wagte. Es kann nicht sein, was gerade hier geschieht. Was sie sagen. Was ich eben gehört habe. Was sich an Wunderbarem zwischen uns dreien vollzieht.
    »Ihr beide seid die Menschen, die ich am meisten auf der ganzen Welt liebe«, fuhr Johannes fort. »Außer Gott natürlich. Ich bin so froh, dass du mir verzeihst, Anna. Dass du mir vergeben hast! Die Schuld hat mich fast erdrückt. Kein Tag, an dem ich nicht daran gedacht hätte!«
    »Lass die Vergangenheit ruhen«, sagte sie leise. »Was geschehen ist, ist längst vorbei. Ich liebe euch auch. Euch beide.«
    »Ich werde alles tun, um dich zu retten, um euch Juden zu retten!« Johannes klang aufgeregt. »Ich spreche mit Bruno, Esra, morgen schon oder noch heute Nacht, und er wird euch helfen! Er verabscheut alle Eiferer, und er ist weise und klug. Er findet immer und überall die richtigen Worte, weil er die Seelen der Menschen so gut kennt.«
    Anna fasste behutsam nach Esras Hand. Sie spürte Johannes’ Finger in ihrem Haar, als Esra sich nach vorn beugte und sie zart auf den Mund küsste.
    »Ich will dich nicht verlieren, Liebste«, flüsterte er. »Jetzt, wo ich dich endlich gefunden habe.«
    »Du wirst mich nicht verlieren«, entgegnete sie leise. »Du gewinnst ihn dazu.«
    Johannes lächelte. Beide umarmten sie jetzt. Sie spürte einen mageren Körper und einen männlich kräftigen, einen glatten und einen, der rauer und behaarter war. So viele zärtliche Arme, so viel Küssen und Streicheln! Sie schloss die Augen und hob ihr Gesicht, ohne genau sagen zu können, welche Lippen sich auf ihren Mund pressten. Wein roch sie, Erregung, Lust, die langsam, aber unaufhaltsam aufstieg.
    Sie fühlte sich weich und offen. War ohne Angst oder Scham. Sondern bereit zur Liebe, bereit, Dinge zu tun, von denen sie bis heute noch nicht einmal geträumt hatte. Ihr Arm fiel träge zur Seite, als sie ihr gemeinschaftlich das Unterkleid abgestreift hatten und sie den angenehm frischen Nachthauch wie eine Liebkosung auf ihrem erhitzten Leib spürte. Dabei rutschte ihr Ardins verschlungener Reif vom Finger und verlor sich irgendwo im Gras, aber sie bemerkte es nicht.
    Denn Anna war glücklich und erfüllt wie noch nie zuvor.
     
    Sie kamen nach Mitternacht, mit Leitern und Stricken. Ohne Schwierigkeit überwanden sie die Judenmauer. Dann verteilten sie sich an den einzelnen Toren, schlugen die Wachen aus dem Hinterhalt nieder und öffneten alle Riegel.
    Jetzt floss der Strom ungehindert hinein. Hunderte waren es, eine aufgebrachte Menge, mit lodernden Fackeln, Messern, Dolchen, Holzprügeln. In Schubkarren Eimer voll dampfendem Pech.
    »Nieder mit den Juden - sie haben sein Blut getrunken, sein Fleisch geschnitten!«
    Die ersten Steine flogen. Rammböcke prallten gegen verschlossene Türen. Funken flogen. Zuerst brannte ein Schuppen, dann das erste Haus.
    »Rache für das gemeuchelte Christenkind!«
    »Schlagt sie alle tot, bevor sie uns vergiften!«
    Trotz aller Befürchtungen waren die meisten Bewohner des Judenviertels auf diesen Überraschungsangriff nicht vorbereitet. Einige flohen in wilder Angst auf die Gasse, was den sicheren Tod bedeutete. Männer, Frauen und selbst Kinder wurden niedergeknüppelt, erstochen, erschlagen. Andere verbarrikadierten sich zitternd in ihren Häuser, beteten laut, wagten sich nicht zu rühren.
    Die Angreifer brüllten sich gegenseitig ihre rohen Kommandos zu; auf den Gassen mischten sich die Schreie der Verletzten mit dem Stöhnen Sterbender.
    »Das ist das Ende!«
    Recha war

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