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Pforten der Nacht

Titel: Pforten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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bleich, aber erstaunlich gefasst, so, als hätte sie insgeheim schon darauf gewartet. Noch waren sie nicht vor ihrem Haus angelangt; die bedrohlichen Stimmen jedoch kamen näher und näher. Sie hatten drinnen ein paar Ölfunzeln angemacht, die ihre angstvollen Mienen gespenstisch beleuchteten.
    Lea presste sich an Aaron, der sie schützend umfing. Seine Lippen bebten. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen.
    »Das können sie doch nicht tun!« Jakub weigerte sich noch immer zu glauben, was draußen vor sich ging. »Ich muss unbedingt zur Synagoge. Zu all den Flüchtlingen. Vielleicht finde ich dort auch Esra, und dann …«
    »Das wirst du schön bleiben lassen, Jakub ben Baruch!« Mit ihrem rundlichen Körper versperrte sie ihm den Weg. »Sie schlagen dich tot, sobald du das Haus verlässt, dich, den Rabbiner, vor allen anderen! Es ist gut, dass er nicht hier ist, hörst du, das ist vielleicht seine einzige Möglichkeit zu überleben! Denn wir werden sterben. Der Tod ist ganz nah. Ich kann ihn schon fühlen. Ich spüre, wie er seine Arme nach uns ausstreckt. Wir haben unser Leben miteinander geteilt. Lass ihn uns auch jetzt Seite an Seite gemeinsam erwarten!«
    »Das sagst du, meine Taube? Du, die immer am tapfersten von allen war und vor nichts und niemandem Angst hat?« Tränen tropften in seinen Bart.
    Jetzt begann auch Recha zu weinen, ihre Stimme aber war fest und klar, als sie zur flehentlichen Bitte anhob.
    »›Ja, du bist Adonaj, unser Gott, langmütig und voll Erbarmen. Hilf uns um deines Namens willen. Erhöre, unser König, unser Gebet, und aus der Hand unserer Feinde errette uns …‹«
    »Ich möchte, dass wir selbst bestimmen, wann und wie wir sterben. Lasst uns aufrechten Hauptes in den Tod gehen. Ohne ihnen zu erlauben, uns noch auf unserer letzten Reise zu demütigen.«
    Recha hielt erschrocken im Beten inne, als sie Leas Worte hörte.
    »Was sagst du da? Du weißt nicht, was du da sagst!«
    »Mein Kind soll nicht in die Hände dieser Wahnsinnigen fallen. Ich habe in ihre Herzen gesehen. Ich weiß, wozu sie imstande sind!« Sie wandte sich zu Aaron, der bislang geschwiegen hatte. »Bist du dabei?«
    Er nickte. »Aber wie sollen wir es anstellen?«
    Leas gewitterblaue Augen leuchteten wie im Fieber.
    »Wir sterben im Feuer. So wie viele unserer Glaubensbrüder zuvor. Als Juden, verbunden mit Gott. So geraten wir nicht in Gefahr, unseren Glauben zu verraten. Und ihnen verleihen wir keine Macht über uns.«
    »Lea, um Marias willen, besinne dich …«
    »Der Name meiner Mutter war Miriam, Tante«, verbesserte sie sanft. »Und ich will ihn ehren bis zu meinem allerletzten Atemzug.«
    Wildes Poltern gegen die Tür, dann prasselte ein Steinhagel an die Fenster. Ein zweiter gleich hinterher. Die geölte Schweinshaut riss; eine Lanzenspitze bohrte sich nach drinnen.
    »Mach auf, gottverdammtes Judenpack! Der Teufel ist da, um dich zu stechen und anschließend mit dir zur Hölle zu fahren. Oder sollen wir dir erst kräftig den Pelz wärmen?«
    Grölen und Flüche. Eine Stimme tat sich vor den anderen hervor, lauter und grober als all die anderen. Trunken von Wein und blindem Hass. Lea erkannte sie. Und erschauerte. Jetzt war der Wolf gekommen, um seine Beute zu reißen. Und dieses Mal war er nicht als Lamm verkleidet.
    Gewaltsame Stöße ließen die Mauern erzittern.
    »Wir holen euch! Ihr gehört uns!«
    »Ich gehe nach oben, in den Speicher.« Erstaunlich behände war Lea an der Treppe. Sie griff nach einem Talglicht. »Unser Stroh dürfte ausreichend sein und zudem trocken wie Zunder. Und in Rechas Küche geht das Feuer ja niemals aus. Worauf wartet ihr noch? Darauf, dass sie hier eindringen und uns an den Haaren in die Flammen schleifen?«
    »Ich komme!«, sagte Aaron.

»Wir kommen!«, riefen Recha und Jakub wie aus einem Mund. Sie umarmten sich; jetzt gab es keinen mehr im Raum, der nicht geweint hätte.
    Die Luke schloss sich wenig später hinter ihnen. Alles, was noch zu hören war, war gedämpftes Murmeln, denn sie beteten ohne Unterlass.
    Erst roch es brandig. Dann leckten Feuerzungen am Dachstuhl. Ein Knistern und Knacken. Schließlich stand das ganze Dach in Flammen.
    »Feuer!« Ein wilder Schrei, ein paar Gassen weiter. »Bringt Wasser, schnell! Das Bürgerhaus brennt - lichterloh! Und bald die ganze Stadt dazu!«
     
    Als sie aus ihrem Schlaf erwachten, war es noch lange nicht Morgen, der Himmel über dem Judenviertel jedoch blutrot. Esra fuhr auf, fing an, wie ein Rasender nach seinen

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