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Pforten der Nacht

Titel: Pforten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Unterhaltung recht zähflüssig, wobei der Erzbischof unverdrossen Fragen stellte, die gewünschten Antworten jedoch zögernd, ja beinahe schleppend erhielt. Inzwischen waren die ersten Gänge des Fastenmenüs verspeist. Auf Mandelmus, zu dem man gebratene Weißbrotkügelchen reichte, folgten gesottene Makrelen. Anschließend wurde Kraut mit Forellen serviert, dazu reichlich Moselwein, der die Augen glänzen ließ und die Stimmung nach und nach lockerte.
    »Dieser edle Tropfen wird mir nicht gepanscht!«, befahl Walram kategorisch. »Die Kirche fordert in der Fastenzeit den Verzicht auf Fleisch. Woran wir uns peinlich halten. Von Wein jedoch ist nirgendwo die Rede!« Er hob seinen Becher und prostete der Runde zu. Seine Gesichtsfarbe hatte sich bräunlich verfärbt, seine Laune schien nach wie vor ungetrübt. »Auf das Wohl unserer geliebten Stadt, das zwölftorige Köln, Sinnbild des himmlischen Jerusalems!«
    Alle tranken.
    »Weshalb sind wir eigentlich hier?«, zischte ein magerer Dominikaner Johannes Kustos zu, der sein Tischnachbar war. »In diesem Saal werden sonst doch nur höchste geistliche Herren und gekrönte Häupter empfangen - keine einfachen Mönche wie wir! Nicht einmal unser Abt ist informiert. Weißt du vielleicht etwas Näheres?«
    Bevor er noch antworten konnte, sprach Walram die Runde an, die inzwischen bereits den vierten Gang verspeiste, in Wein gekochte Krebse, zu Mus verarbeitet und mit Gewürznelken bestreut. Dazu gab es weißen Reis. Sein Teller war leer; er musste gegessen haben, als sei Beelzebub persönlich hinter ihm her gewesen.
    »Der eine oder andere mag sich fragen, weshalb ich euch heute hergebeten habe«, begann er salbungsvoll. »Ich möchte eure Geduld nicht länger auf die Folter spannen. Ihr Brüder lebt mitten in der Stadt, unter all den Menschen. Ihr kennt ihre Sorgen, ihre Nöte; ihr nehmt die Beichte ab, wisst, was in den Köpfen der Frauen und Männer vorgeht. Ihr hört gewissermaßen das Gras wachsen; euch kann niemand etwas vormachen.« Er gönnte sich einen großen Schluck. »Deshalb möchte ich euch um Beistand bitten. Um Jesu willen. Und seiner heiligen Kirche.«
    »Was verlangt er von uns? Dass wir Spitzeldienste leisten?« Der junge Franziskaner Rufus Cronen war ein Schützling Bruno de Bercks und für sein hitziges Temperament bekannt. »Und dann diese Völlerei - mitten in der Fastenzeit! Ich möchte zurück ins Kloster. Zu meiner Arbeit, meiner Suppe und meinen Gebeten. Soll er doch selber in die Stuben spähen! Dann erfährt er wenigstens, was die Leute über ihn reden.«
    Er hatte leise gesprochen, laut genug jedoch, um vom Erzbischof gehört zu werden.
    »Danke, Bruder«, erwiderte er jovial, »du lieferst mir exakt das passende Stichwort. Was, meint ihr, halten die Bürger Kölns von Pfaffen mit langen Haaren, verzierten Gürteln und Dolchen? Von Mönchen, die mit Schuhen aus buntem Leder durch die Stadt stapfen und in so enge Kleider gequetscht sind, dass Knie und Unterschenkel kaum bedeckt sind? Von Geistlichen, die heimlich zu Hause ihre Kebse halten oder ganz ungeniert zu den Dirnen in der Schwalbengasse flanieren, um dort deren Dienste in Anspruch zu nehmen?« Er richtete sich auf, wirkte auf einmal größer und straffer. »Wisst ihr, was das Volk denkt, wenn es dieses Treiben mitansehen muss? Die Kirche Jesu ist krank und solches Gesindel nichts als Pestbeulen und Geschwüre!«
    Mit einer ungeduldigen Handbewegung scheuchte er die Diener hinaus, die Platten voller Safrankuchen zurückließen.
    »Worauf will er nur hinaus?« Jetzt waren selbst die Dominikaner ratlos.
    »Ihr mögt recht haben mit Eurer Kritik. Sie betrifft aber nicht nur die Glieder der Kirche.« Rufus Cronen hatte mutig seine helle Stimme erhoben.
    »Was soll das heißen?«, herrschte Walram zurück. »Willst du den Heiligen Vater angreifen?«
    »Vergiften es böse Tumoren, so ist auch das Haupt nicht gesund.« Kustos wollte Rufus zurückhalten, aber er redete unbekümmert weiter. »Ich weiß nichts über den Papst. Und in Avignon bin ich niemals gewesen. Ich weiß nur, was ich mit meinen eigenen Augen sehe und mit meinen Ohren höre. Der Herr hat nicht gesagt: Befestige Burgen und Städte, nicht: Sammle Reichtümer, nicht: Kümmere dich unablässig um den weltlichen Besitz der Kirche - er hat vielmehr gesagt: Weide meine Schafe.« Er räusperte sich kurz, dann sprach er weiter. »Bleibt Euch dazu überhaupt noch Zeit, Eminenz?«
    Alle schwiegen. Entsetzt die einen, schadenfroh die

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