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Pforten der Nacht

Titel: Pforten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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wieder. Ob sie doch eine heimliche Krankheit hatte? Sie schluckte mehrmals, fest entschlossen, sich jetzt nicht überwältigen zu lassen - nicht in dieser Situation, nicht vor den Augen dieser da, die sie anstarrten und nur auf eine Schwäche warteten. Nein, den eingebildeten Alten, der offenbar auf junges Fleisch gierte und ihren Platz am Kachelofen eingenommen hatte, als ob es ganz selbstverständlich sei, wollte sie um keinen Preis der Welt zum Mann. Da scheuerte sie noch lieber bis zum Ende ihrer Tage Hillas schmutzige Suppentöpfe!
    Aber das musste sie ja gar nicht. Regina und ihre Gabe würden sie vor diesem Schicksal bewahren. »Meine Antwort lautet nein. Nein und noch mal nein! Und damit Schluss!« Es begann ihr Spaß zu machen. Schließlich war sie vermögend und schon bald nicht länger auf Hermanns und Hillas Barmherzigkeit angewiesen. Sie wandte sich zu Ardin, musterte ihn scharf. »Behalt ruhig alles, was du hast, und werd recht glücklich damit. Ich brauche deinen Grund und dein Haus nicht. Hab nämlich selber eins!«
    Anna hielt sich die Hand vor den Mund, aber es war schon heraus. Siedend heiß schossen ihr Reginas Mahnungen durch den Sinn. Am liebsten hätte sie sich unsichtbar gemacht. Wie hatte sie nur so dumm, so unbedacht sein können!
    Erstaunlicherweise schien ihre Behauptung niemand im Raum besonders zu beeindrucken. Ardin sah unglücklich drein, Hilla fuhrwerkte mit den hölzernen Nadeln weiterhin in ihrem Strickzeug umher; Hermann starrte aus dem Fenster. Hatten sie nicht gehört, was sie Unerhörtes gesagt hatte? Weshalb kamen dann keine Fragen? Wieso taten alle, als wären sie taub und nichts geschehen? Ein eisiges Gefühl drückte Annas Brust zusammen.
    »Nun, falls es einmal tatsächlich ein Haus in der Schildergasse gegeben haben sollte, dann …« Hermann verstummte, als habe er schon zu viel verraten.
    Jetzt wurde das Schweigen lastend. Sie hatte die Adresse nicht erwähnt. Woher wusste er sie dann? Von Regina nicht, das stand fest. Seine geschwollenen, von Rissen und Schnitten bedeckten Färberhände zupften unruhig am Wams. Ein untrügliches Zeichen, dass er ein schlechtes Gewissen hatte. Und er wagte nicht, ihr in die Augen zu sehen. Schon seit Tagen nicht, wenn sie sich recht erinnerte.
    Es dauerte eine Weile, bis Anna nach und nach begriff.
    »Es ist nicht wahr«, sagte sie und sprang auf Hermann zu. »Sag sofort, dass es nicht wahr ist!«
    Vergeblich versuchte er, sich ihrem Drängen zu entziehen. »Ich weiß gar nicht, was du willst«, brachte er schließlich hervor. »Du verstehst doch nichts von solchen Dingen!«
    Sie war jung und blühend, alles lag vor ihr - aber er? Was war mit ihm? Zornig, weil sie ihn ertappt hatte, starrte er seine Tochter an. Dieser geheime Drang nach Veränderung! Sein ganzes Leben hatte er es gespürt, das Pochen und Flimmern der Gedanken, die nagende Ungeduld. Ein Spinner, so hatten die anderen ihn geheißen, jemand, der nicht wahrhaben will, wo er hingehört. Hineingeboren in die Enge. Steckengeblieben in der Spur. Die Haare über der breiten Stirn wurden schon langsam grau. Und auf einmal war die Gelegenheit dagewesen, das Ruder herumzuwerfen. Ganz unvermutet. Wie ein Stern, der vom Himmel direkt in seinen Schoß gefallen war. Hätte er da zögern können? Zögern dürfen ? Natürlich war es eine gewagte Spekulation, trotz allem. Aber durchaus nicht unvernünftig. Denn Alaun würden die Leute kaufen müssen, solange sie bunt gefärbte Stoffe trugen. Und er, Hermann Windeck, hatte Sorge dafür getragen, dass er künftig den Löwenanteil in dieser Stadt besitzen würde.
    Annas Augen wurden schmal und dunkel.
    »Was hast du damit gemacht? Es verkauft?« Jetzt schrie sie. »Du hast mein Haus verkauft? Das durftest du nicht! Dazu hattest du kein Recht! Wo ist die Schreinskarte? Wie bist du überhaupt daran gekommen? Gib sie mir zurück! Sie ist mein Eigentum - nicht deines!«
    Mit beiden Fäusten trommelte sie gegen seine Brust, und er musste grob werden, um sie wegzuschieben.
    »Komm endlich zur Vernunft, Anna«, sagte er. »Ich bin dein Vormund und habe als Familienoberhaupt zu entscheiden. Unsere Schuppen sind viel zu klein gewesen. Außerdem steigen die Preise für Waid Monat für Monat; von denen für Safran erst gar nicht zu reden …«
    »Du hast Farben für deine stinkenden Pötte dafür gekauft?«
    »Nein«, wehrte er ab. »Natürlich nicht nur. Es gab eine ungewöhnlich günstige Gelegenheit, da musste ich zugreifen. Eine Neuheit, die unsere

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