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Phantasie und Wirklichkeit

Phantasie und Wirklichkeit

Titel: Phantasie und Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Sir?»
Lewis unterbrach seine Tipperei und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. «Nur
die Ruhe, mein Lieber. Da ist nämlich jemandem der Wagen geklaut worden. Bloß,
daß er ein paar Tage später wieder zurückgebracht wurde, und zwar in besserem
Zustand als zuvor. Und mit einem Zettel, auf dem stand, tut mir leid, aber ich
brauchte unbedingt ein Auto, und als kleine Entschädigung für den Ärger, den
Sie deshalb hatten, ist hier eine teure Karte für die Oper. Verstehen sie,
worauf ich hinauswill?»
    Lewis nickte.
    «Der Typ geht also in die Oper, und
wenn er nachher heimkommt...»
    «...merkt er, daß inzwischen seine
Wohnung ausgeräumt worden ist», sagte Lewis gelangweilt.
    «He — seit wann können Sie Gedanken
lesen?»
    «Kann ich nicht, Sir. Hab aber schon
davon gehört. War erst vor ein paar Wochen in High Wycombe ein ähnlicher Fall —
jedenfalls hat einer unsrer Leute so was erzählt.»
    «Aha.»
    «Tut mir leid, wenn ich Sie jetzt
enttäuscht habe, Sir.»
    «Glauben Sie, daß sich das weit
herumgesprochen hat?»
    «Kann ich mir nicht vorstellen. Gehört
nicht zu den Dingen, die man an die große Glocke hängt, oder? Weil es
vielleicht Schule machen könnte. Zumindest die erste Zeit.»
    «Mhm.»
    «Aber ziemlich clever, trotzdem.»
    «Verdammt clever.»
    «Und warum erzählen Sie mir das, Sir?»
    Morse grinste. «Haben Sie Freitag abend
schon was vor?»
    «Eigentlich nicht. Meine Frau hat zwar
eine Tupperware Party, glaube ich, aber -»
    «...aber Sie würden sich vermutlich
ganz gern verdrücken?» Jetzt war es Lewis, der vor sich hin grinste. «Um
wieviel Uhr, sagten Sie, brauchen Sie mich?»
    Es war genau eine Minute nach sieben Uhr,
als das Pärchen in dem Miet-Lieferwagen den Mann aus dem Garten auf die Straße
heraustreten und eilig fortgehen sah.
    «Du bist wirklich ein superkluges
Miststück, Millie, daß du dir das ausgeheckt hast.»
    «Nur keine Vorschußlorbeeren, mein
Lieber.»
    «Weiß schon — aber es dauert ja ein
bißchen.»
    «Dreieinhalb Stunden. Meine Güte!»
    «Länger als zwei Fußballspiele
hintereinander.»
    «Ach, Charlie, du bist und bleibst ein
Prolet...»
    «Wie bitte? Ich — ein Prolet? Daß du
dich da nur nicht irrst. Du weißt wohl nicht, daß Wagner mein Ein und Alles
ist?»
     
    Morse und Lewis beobachteten von ihrem
Zivilwagen aus, wie Ullman sich zu Fuß auf den Weg machte. Seinen Metro,
inzwischen mit Alarmanlage und einer zwischen Steuerrad und Kupplung
befestigten Diebstahlsicherung ausgerüstet, hatte er in der Sicherheit seiner
wohlverschlossenen Garage zurückgelassen. Ullman wollte ganz offensichtlich
keine weiteren Risiken mehr eingehen; außerdem war die Busverbindung die
Banbury Road hinunter ins Zentrum und zum Apollo Theatre wirklich gut.
    Gegen halb neun machte Lewis sich zum
erstenmal ein wenig unmutig bemerkbar: «Wann, meinten Sie, sollte das Ding da
steigen?»
    «Geben Sie ihnen eine Chance, Lewis.
Immerhin haben die bis Mitternacht Zeit. Oder jedenfalls fast bis Mitternacht.»
    «Aber wir sind jetzt schon seit —»
    «Schhhh!» zischte Morse, weil soeben
eine kräftig gebaute Frau den Kiesweg zu Ullmans Haustür hinaufschritt, die
sehr aufmerksam um sich schaute, bevor sie etwas in seinen Briefkasten steckte,
das aussah wie eines der kostenlosen Anzeigenblätter. Dann marschierte sie
wieder zurück und zog das Gartentor hinter sich zu.
    «Sehr aufregendes Ereignis, nicht
wahr?» fragte Lewis streitsüchtig.
    Aber Morse zeigte keinerlei Neigung
anzubeißen.
     
    Um zehn Minuten nach neun öffnete ein
Mann das Gartentor, drückte es hinter sich wieder ins Schloß und näherte sich
der Haustüre. Dort angekommen blickte er mehrere Sekunden lang über die
Schulter zurück, gleichsam als erwartete er, jemand Bestimmten zu entdecken.
Dann zog er die Zeitung aus dem Briefkasten, fand darin eingewickelt einen
Schlüssel und betrat das Haus.
    Es war Dr. Eric Ullman.
     
    Noch eine Viertelstunde danach, als
Lewis beim Deia Drop in Summertown mit einer Flasche Best Bitter und
einem halben Glas Beamish aus der Bar zurückkam, schüttelte Morse den Kopf
darüber.
    «Kann doch sein, Sir, daß es ihm auf
die Nerven gegangen ist, oder? Steht schließlich nicht jeder auf Wagner.»
    «Er schon. Das ist es doch. Nein, nein,
Lewis, ich bin mir ziemlich sicher, daß da irgendwas ganz entsetzlich schiefläuft.
Die müssen gewußt haben, daß er früher heimkommen wird... Irgendwie haben sie
Wind davon bekommen.»
    «Vielleicht hat ja Dr. Ullman genau wie
Sie, Sir,

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