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Phantasmen (German Edition)

Phantasmen (German Edition)

Titel: Phantasmen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Flugzeug, als du dich neben ihren Schlafkammern verkrochen hast?« Er schien die Antwort zu ahnen.
    »Meine Schwester kann sie hören«, sagte ich. »Was glauben Sie, wie wir es durch die Stadt bis hierher geschafft haben? Einer der beiden aus unserem Helikopter hat uns hergeführt.«
    Haven sah mich so durchdringend an, dass ich heilfroh war, ihn nicht anlügen zu müssen. Aber er wurde abgelenkt, als Emma den Gang hinabdeutete.
    »Ich höre ihre Gedanken«, sagte sie.
    Ihr Gesicht blieb bar jeden Ausdrucks, eine Leere, die selbst Haven keine Anhaltspunkte bot.
    »Und ich glaube, ich kann mit ihnen sprechen.«

43.
    Haven führte uns in die Überwachungszentrale. Hinter einem futuristischen Schaltpult erhob sich eine Wand aus zwei Dutzend Monitoren, auf denen die Räume und Korridore der Anlage aus den verzerrten Blickwinkeln zahlreicher Deckenkameras zu sehen waren. Vier Schirme in der Mitte zeigten Bilder von der Straße, stark überbelichtet, aber gerade noch scharf genug, um mehrere Löwenkadaver auf den Toten vor dem Eingang zu erfassen. Die überlebenden Tiere waren offenbar weitergezogen.
    Gleich zweimal flackerten die Monitore, als zöge ein Schatten darüber hinweg.
    »Das sind Stromausfälle, oder?«, sagte ich. »Wie vorhin im Aufzug.«
    »Die Generatoren funktionieren nicht ganz so reibungslos, wie sie sollten«, erwiderte Haven. »Meist sind es nur Bruchteile von Sekunden, aber vor einer Stunde saßen wir fast eine halbe Minute im Dunkeln.«
    »Und da benutzen Sie den Aufzug ?«, fragte ich fassungslos.
    »Im Treppenhaus sind Geister, auf fast allen Etagen«, erwiderte er achselzuckend. »Eine Kettenreaktion hat sie erwischt, von oben nach unten.«
    Er drückte eine Tastenkombination und die Bilder von der Straße verschwanden. Statt ihrer erschienen Ansichten eines düsteren Raumes. Ehe ich Genaueres erkennen konnte, betätigte er ein paar Knöpfe. Auf einen Schlag erloschen alle Monitore. Es dauerte eine Sekunde, dann baute sich eines der dunklen Bilder wieder auf, diesmal über sämtliche Schirme hinweg. Wie Teile eines Mosaiks setzten sich alle vierundzwanzig zu einer einzigen Kameraperspektive zusammen, so dass die Menschen in dem Raum fast lebensgroß erschienen.
    »Wo ist das?«, fragte ich.
    »Rechts den Gang hinunter. Es ist noch ein gutes Stück von hier. Aber komm nicht auf dumme Gedanken – der Zugang ist eine Stahlschleuse. Und sie ist von innen verriegelt.«
    Emmas Hand legte sich um meine. So standen wir vor der Monitorwand und betrachteten das Ziel unseres Weges wie durch ein gigantisches Facettenauge.
    Der Raum war größer als alle, die wir bislang hier unten gesehen hatten. Durch den Weitwinkel der Überwachungskameras waren alle Horizontalen gewölbt. Die acht Probanden standen in einer Reihe in bizarren Vorrichtungen, einem Gewirr aus Kabeln und Schläuchen, die in ihren Körpern verschwanden, Flüssigkeiten pumpten oder ihre Lebensfunktionen kontrollierten.
    Anders als die Probanden in der Hot Suite waren diese hier nicht verwahrlost. Man hatte ihnen die Schädel bis auf die Kopfhaut geschoren. Sie waren nackt und mager, wobei die Unterschiede zwischen Mann und Frau kaum noch auszumachen waren: Breite Gurte lagen um ihre Brustkörbe und Hüften. Dabei waren sie in Rahmen befestigt wie in einem Setzkasten und von Lampenkolonnen und Digitalanzeigen umgeben. Wie schon Tomasz und den drei anderen waren auch ihnen runde Metallzylinder eingepflanzt worden, silbrige Kontakte zwischen Augen und Schläfen, nicht größer als ein Daumenglied. Kabel führten von dort zu den blinkenden Rahmen.
    Die acht füllten die gesamte Monitorwand aus, aber schon auf den ersten Blick wurde klar, dass Haven uns nur einen Ausschnitt des Raumes zeigte.
    »Ist Tyler da drinnen?«, fragte ich.
    Der Colonel gab keine Antwort, wollte aber gerade einige Knöpfe drücken, als Emma eine Hand hob.
    »Warten Sie«, bat sie und verengte die Augen. »Was sind das für Lichter?« Ich glaubte erst, sie meinte die Kontrolllampen an den Aufhängungen, aber die interessierten sie gar nicht. Stattdessen wischte sie mit einer weiten Handbewegung durch die Luft. »Dieses Flimmern auf ihren Gesichtern und auf ihren Körpern.«
    Ich hatte es für ein Problem mit der Stromversorgung gehalten, eine Fehlfunktion der Monitorwand. Doch dann fiel mir ein, woran mich die flackernden Lichter erinnerten. So sah es aus, wenn man sich im Kino umdrehte und die übrigen Zuschauer im Schein der Leinwand betrachtete. Die Hälfte der acht

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