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Phantasmen (German Edition)

Phantasmen (German Edition)

Titel: Phantasmen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Schulter, während wir ohne Licht durch die Nacht nach Norden rasten. Tyler fuhr jetzt schneller und es war kaum möglich, ihre Worte zu verstehen. Vielleicht gab er deshalb keine Antwort.
    Aber ich kannte Emma. Damit würde sie sich nicht zufriedengeben. Wir wussten nichts über ihn, nichts über diese anderen dort hinten. Das Einzige, was uns verband, waren die Geister von IB259.
    Zu meiner Überraschung brach Tyler sein Schweigen. »Ihr Name war Flavie. Sie war Französin. Und sie war –« Er stockte und sagte nichts mehr.
    »War sie deine Freundin?«, rief Emma mit dem Fingerspitzengefühl eines Flusspferdes.
    Tyler nickte einmal kurz. Ich merkte es nur, weil seine wehenden Haare über mein Gesicht strichen.
    »War sie eine von den zwölf?«, bohrte Emma weiter, als säße sie mit ihm beim Verhör, nicht zusammengepresst auf einem Motorrad.
    »Ihr habt sie auch gezählt?«, fragte er.
    »Emma hat das getan«, antwortete ich. »Waren es bei dir auch nur zweiundachtzig?«
    »Zwölf fehlen«, bestätigte er.
    »Ich hab’s doch gesagt!«, rief Emma.
    Mit verkrampftem Nacken bemühte ich mich um einen Blick nach hinten. Die Fahrzeuge hatten den Geisterpulk erreicht. Soweit ich das erkennen konnte, hielten sie dort an, ohne unsere Verfolgung aufzunehmen.
    Plötzlich rief Tyler »Festhalten!« und bog abrupt von der Straße auf eine ausgefahrene Sandpiste, die in der Dunkelheit kaum zu sehen war.
    Schon nach kurzem bremste er die Maschine ab. Die Distanz zwischen uns und den Geistern betrug etwa anderthalb Kilometer. Falls von der Fahrzeugkolonne wirklich eine Gefahr ausging, war das eindeutig zu wenig.
    »Warum fahren wir nicht weiter?« Ich setzte die Füße am Boden auf.
    »Sitzen bleiben!« Er tastete an meinem Oberschenkel herum, bis er die Satteltasche darunter aufbekam. Zwischen den Büchern kramte er das Fernglas hervor. Er zog es auseinander und blickte hindurch.
    Die Kuppel aus Totenlicht markierte den Absturzort des Airbus wie ein angestrahltes Mahnmal mitten in der Wüste. Zahlreiche Silhouetten liefen davor hin und her. Mit zusammengekniffenen Augen zählte ich mindestens ein Dutzend Fahrzeuge, Kleintransporter und Geländewagen.
    Tylers Wangenmuskeln spannten sich, als er etwas entdeckte. Jemand rief etwas, dann krachte ein Schuss. Das Geräusch hallte zu uns herüber und verklang in einem rollenden Echo, der in diesem Ödland wie fernes Gewitter klang.
    »Können wir jetzt weiterfahren?«, fragte ich.
    Tyler reagierte nicht, starrte nur durch sein Jack-Sparrow-Fernrohr und mahlte mit dem Unterkiefer. »Ich muss absteigen«, sagte er. »Bei der Wackelei erkenne ich gar nichts.«
    Ich kletterte nach hinten von der Maschine und streckte mich.
    »Wenigstens können sie uns im Dunkeln nicht sehen«, sagte ich zu Emma, die beim Absteigen fast das Motorrad umriss.
    »Nun ja«, sagte Tyler, ohne das Fernrohr abzusetzen.
    Mein Kopf ruckte in seine Richtung. »Was genau bedeutet nun ja ?«
    »Sie können uns nicht sehen, falls sie keine Nachtsichtgeräte haben. Aber die Chance, dass sie die bei ihrem letzten Milchkaffee haben liegenlassen, ist nicht besonders groß.«
    »Nachtsichtgeräte!« Ich baute mich vor ihm auf und verstellte ihm die Sicht. »Scheiße, Tyler, was sind das für Typen?«
    Er machte einen Schritt zur Seite und blickte mit dem Fernglas an mir vorbei. »Lionheart.«
    Emma und ich tauschten einen Blick.
    »Wer zum Teufel ist Lionheart?«, fragte ich.
    »Söldner«, sagte er so ruhig, als spräche er von einer Cornflakes-Marke. »Ex-Marines. Ex-Fremdenlegionäre. Vielleicht sogar Ex-Mossad.« Endlich nahm er das Fernglas herunter und hielt es mir entgegen. »Ganz sicher Ex-Blackwater.«
    Blackwater war der größte Söldnerkonzern der Welt, ein amerikanisches Unternehmen, das Milliarden damit erwirtschaftet hatte, Regierungstruppen im Irak, in Afghanistan und anderswo zu unterstützen. Und dabei auch mal das eine oder andere Massaker unter Zivilisten anzurichten.
    »Es gibt noch mehr von der Sorte«, sagte Tyler. »Blackwater ist nur am bekanntesten, weil sie sich die Medien nicht mehr vom Hals halten konnten. Dass Lionheart hier einfach so auftaucht, kann nur damit zu tun haben, dass derzeit niemand mehr hinsieht. Ich bin heute Nachmittag an ihnen vorbeigefahren, und sie konnten eigentlich nur unterwegs zur Küste sein – oder hierher.«
    Ich nahm das Fernglas entgegen. »Und das weißt du, weil du sie irgendwo auf der Straße gesehen hast?«
    Er schüttelte den Kopf. »Jemand hatte mich vor

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