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Phantasmen (German Edition)

Phantasmen (German Edition)

Titel: Phantasmen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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genug vorgebeugt, um in ihren Außenspiegel zu schauen.
    »Ich glaube, er hat die Wahrheit gesagt«, flüsterte sie.
    Ich blickte durch die Heckscheibe.
    Am Horizont waren Lichter aufgetaucht. Eine ganze Phalanx von Scheinwerfern wälzte sich auf der Straße heran.

10.
    Tyler wollte gerade sein Motorrad starten, als er uns kommen sah. Er legte kurz den Kopf in den Nacken, schien zu erwägen, einfach loszufahren, nahm dann aber mit einem Fluch die Hand vom Gasgriff.
    »Sind sie das?«, rief ich, während wir auf ihn zurannten. »Diese Leute, von denen du gesprochen hast?«
    »Ja.«
    »Wer sind die?«
    Er maß uns mit einem langen Blick. »Schon mal zu dritt auf einem Motorrad gesessen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nicht mal allein oder zu zweit.«
    »Ich bin ganz gut in SBK Superbike «, sagte Emma.
    »Du«, sagte er unwirsch zu ihr, »vor mich! Und du« – damit meinte er mich – »nach hinten. Und gut festhalten!«
    »Schafft die alte Kiste das?«, fragte ich skeptisch.
    Er sah mich mit einer Mischung aus Ärger und Mitleid an. »Die alte Kiste ist eine Vincent Black Shadow von 1953. Mehr Qualität geht nicht. Ich hab über zwei Jahre daran gearbeitet, und wenn dir was Moderneres lieber ist, dann kannst du gern abwarten, wer als Nächstes vorbeikommt.«
    »Was ist damit?« Emma schwenkte das Gewehr.
    »Bleibt hier. Auch euer Gepäck. Wir müssen weg. Jetzt gleich!«
    Ich ließ die Reisetaschen im Sand liegen. Emma schnallte sich den flachen Rucksack vor den Bauch und steckte unsere Papiere hinein.
    Der Sitz des Motorrads bot Platz für zwei. Ich rückte ganz nach hinten, stieß gegen die Satteltaschen und bemerkte, dass sie randvoll mit Büchern waren; viel mehr als Lesestoff schien Tyler nicht dabeizuhaben. Nach kurzem Zögern legte ich meine Arme um seinen Oberkörper. Der Ledergeruch seiner Jacke hatte etwas Beruhigendes.
    »Ich hab das noch nie versucht«, sagte er. »Aber es wird schon schiefgehen.« Da atmete ich gleich noch tiefer ein.
    Emma kletterte vor ihn. Sie saß mehr auf dem Tank als auf dem Sattel und presste sich mit dem Rücken gegen Tyler. Ich versuchte, sie von hinten zu packen. Halb rechnete ich damit, dass er protestieren würde, aber er sagte nur: »Haltet euch so fest ihr nur könnt. Ich werde so lange wie möglich auf der Straße bleiben, aber irgendwann werden wir querfeldein fahren müssen.«
    Erst einmal mussten wir es bis zur Straße schaffen, am besten in einem Bogen, der uns weit genug von den Geistern fernhielt. Ich sah nach hinten und bemerkte erschrocken, dass die Lichter schon sehr viel näher gekommen waren. Es waren zwei oder drei Fahrzeuge nebeneinander, dahinter eine ganze Kolonne.
    Tyler ließ den Scheinwerfer ausgeschaltet und gab Gas. Die Reifen schleuderten Sand empor, dann schossen wir vorwärts. Ich konnte meine Füße nirgends aufsetzen und musste die Beine weit abspreizen. Staub drang in meine Augen und in meinen Mund. Ich ärgerte mich, dass wir vorher so viel Zeit verschwendet hatten, die wir lieber hätten nutzen sollen, um den verdammten Schlüssel zu suchen.
    »Emma«, rief ich nach vorn, »alles in Ordnung?«
    Nichts war in Ordnung, die ganze Situation war völlig bizarr. Wir flohen zu dritt auf einer Antiquität und wussten nicht mal, vor wem.
    »Wenn mir schlecht wird«, brüllte Emma gegen den Motorenlärm an, »kriegt ihr alles ab. Fahrtwind und so.«
    Ich spürte, wie Tylers Oberkörper sich unter der Lederjacke spannte, aber er entgegnete nichts. Wir fuhren jetzt fast parallel zur Straße, um nicht in den Radius des Totenlichts zu geraten und den Schutz der Dunkelheit auszunutzen. Erst als die Geister hinter uns zurückblieben, schwenkte er nach links in Richtung Fahrbahn. Die Lichter der näher kommenden Wagen waren hinter den Erscheinungen jetzt nicht mehr zu sehen, aber umgekehrt bestand fürs Erste keine Gefahr mehr, dass die Insassen uns entdeckten. Sie würden früh genug die beiden Autos, den Toten und unsere Sachen finden.
    Die Black Shadow war so laut, dass der Lärm in der halben Wüste zu hören sein musste. Ich hoffte, dass wir weit genug weg waren, wenn die anderen anhielten und ausstiegen. Falls sie anhielten. Und nicht aus irgendwelchen Gründen hinter Tyler her waren und ganz genau wussten, dass sie ihn fast eingeholt hatten.
    Der Kerl hat mich durch halb Europa verfolgt.
    Was, zum Teufel, ging hier vor? Und wurde es für uns nicht noch schlimmer, wenn wir in seiner Nähe blieben?
    »Hast du sie gefunden?«, rief Emma über die

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