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Phantasmen (German Edition)

Phantasmen (German Edition)

Titel: Phantasmen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Erkenntnisse, wie man den anderen acht beikommen kann, ohne sie zu vernichten. Der Tod hat seine Endgültigkeit verloren – es scheint vielmehr, als wäre er für die acht zu einer Art Neuanfang geworden.«
    Haven trat einen Schritt zurück und legte eine Hand auf das Fußende einer Probandenkammer.
    »Wenn es Ihnen gelingt, Kontakt zu Flavie Certier aufzunehmen und sie aufzuhalten, dann wird vielleicht wieder alles sein wie früher. Whiteheads Wissenschaftler jedenfalls sind davon überzeugt.«
    »Sie … aufhalten?«, flüsterte Tyler.
    Haven nickte. »Tag null geht auf das Konto Ihrer Freundin, Mister Tønseth. Ebenso das Lächeln. Die acht Probanden in Whiteheads Labor haben diese Katastrophe heraufbeschworen und vielleicht können Sie sie stoppen.«

34.
    Haven war wieder im Cockpit verschwunden, aber die drei Wachleute ließen uns nicht aus den Augen. Der Befehl des Colonels war unmissverständlich gewesen: kein weiteres Wort zwischen Tyler und mir. Als ich es dennoch versuchte, trat einer der Männer vor und gab mir einen so heftigen Stoß gegen die Schulter, dass ich gegen die Wand krachte und vor Schmerzen aufstöhnte.
    »Noch ein Ton«, sagte der Mann, »und einer von euch landet in der Economy Class.« Er deutete mit seiner Waffe den langen Schlauch des Innenraums hinab, wo die übrigen Söldner schliefen, Karten spielten oder einfach nur ins Leere starrten. Diese Männer hatten furchtbare Dinge getan, aber das machte sie nicht immun gegen das, was in den vergangenen Stunden geschehen war. Jeder von ihnen mochte Menschen haben, die ihm auf die eine oder andere Weise nahestanden; die Chancen, sie lebend wiederzusehen, waren denkbar gering.
    Die meisten sprachen kein Wort. Aber selbst aus der Distanz konnte ich spüren, wie brüchig ihre stoische Ruhe war. Je mehr Zeit verging, desto größer schien die Gefahr zu sein, die von diesen Männern ausging.
    Nur Peterson, der Arzt, blieb gelassen. Seine Miene wirkte gelöst, seine Körpersprache entspannt. Vielleicht war das der Unterschied zwischen Menschen, die den Tod brachten, und jemandem, der sogar Mördern das Leben rettete.
    Ich kämpfte seit Stunden gegen meine Müdigkeit an, gab aber irgendwann auf. Tyler starrte verbissen geradeaus zu den Schlafkammern der Probanden und versuchte wahrscheinlich, sich einen Reim auf das zu machen, was Haven gesagt hatte.
    Zu Flavie vorstoßen. Sie aufhalten.
    Tag null geht auf das Konto Ihrer Freundin. Ebenso das Lächeln.
    Die Stimme des Colonels folgte mir in einen grauen Dämmerzustand, in dem ich erbärmlich fror und mir sogar die Fieberträume von Afrika herbeisehnte, um diese kalte Leere mit Farben zu füllen, mit etwas, das mich ablenkte von den Gedanken an das, was noch kommen mochte. Ich wusste, dass ich schlief, was vermutlich bedeutete, dass es kein echter Schlaf war, nur dasselbe unbefriedigende Dösen, mit dem die Männer hinten in der Maschine die Zeit bis zu unserer Ankunft totschlugen.
    Irgendwann weckte mich Tylers Stimme.
    »Rain«, flüsterte er, »sieh dir das an!«
    Als ich die Augen aufschlug, waren unsere Bewacher nicht mehr auf ihren Posten, sondern standen am Fenster neben uns und blickten nach draußen.
    Mein erster Gedanke galt Emma.
    Sie war nicht mehr auf ihrem Platz.
    Aufgebracht blickte ich mich um und entdeckte sie im Spalt zwischen der äußeren Probandenkammer und der Wand zum Cockpit. Sie kauerte mit geschlossenen Augen und angezogenen Knien auf dem Boden. Ihre Wange lehnte am Metall des Behälters.
    »Rain!«
    Widerwillig löste ich den Blick von meiner Schwester. Obwohl ich nicht verstand, warum sie dort drüben saß, schien sie nicht in unmittelbarer Gefahr zu sein.
    »Sieh mal«, flüsterte Tyler. Keiner der Söldner verbot ihm den Mund. Die Männer waren viel zu gebannt von dem, was sie vor dem Fenster erblickten.
    Ein fahler Schein badete Tylers Gesicht in ungesundes Weiß. Ich rückte näher heran, bis sich unsere Wangen fast berührten. Gemeinsam sahen wir hinaus in die Nacht.
    Schräg über uns hingen Lichter in der Schwärze wie ein Kometenschwarm, der sich nicht von der Stelle rührte. Es waren viele, sicherlich zweihundert, und sie bildeten eine lang gestreckte Wolke. Die meisten schwebten eng beieinander, aber ein paar vereinzelte befanden sich außerhalb des Pulks, weiter unten, als wären sie aus der Menge gestürzt und dann erst erstarrt.
    »Die Explosion der Easy-Air-Maschine«, sagte jemand hinter uns. Ich hatte nicht gehört, dass Peterson herangekommen war, aber

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