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Phantasmen (German Edition)

Phantasmen (German Edition)

Titel: Phantasmen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Wir sanken und rotierten, unter uns war Wasser oder Beton. Als schließlich der Schuss peitschte und die Hand der Frau vom Gesicht ihres Opfers sackte, fühlte ich nichts dabei, weil sich alles innerhalb von Sekundenbruchteilen abspielte.
    Der blutüberströmte Pilot griff nach dem Steuerknüppel, dann löste sich ein weiterer Schuss, der irgendwen traf, dem Schrei nach einen der Söldner.
    Ich wurde nach hinten in meine Hälfte des Sitzes gepresst, aber Emma rief: »Auf meinen Schoß!«
    Während ich mit der Probandin beschäftigt gewesen war, hatte Emma den Gurt gefunden. Jetzt war sie endlich angeschnallt. Als ich mich mit dem Rücken an sie presste, schlang sie Arme und Beine um mich, hielt mich so fest sie nur konnte, und dann stabilisierte sich plötzlich unser Flug, wir drehten uns nicht länger, schwankten auch nicht mehr so heftig.
    Alle an Bord verstummten. Sogar der Proband hatte aufgehört zu schreien.
    »Oh, fuck!«, stieß der Pilot aus und riss die Steuerung nach hinten. Auch ich sah den schmalen dunklen Strich vor uns, der alles Mögliche sein mochte, der Mast eines Segelschiffs am Kai oder eine Antenne, aber das spielte schon keine Rolle mehr.
    Der Hubschrauber stieg im letzten Moment wieder auf, doch seine Unterseite streifte das Hindernis. Es fühlte sich an, als würden wir aufgeschlitzt, ein hässliches, metallisches Knirschen. Dann erneutes Schleudern und Schütteln und eine fatale Schräglage.
    »Festhalten!« Der Pilot umklammerte den Steuerknüppel mit beiden Händen.
    Emmas Griff presste mir den Brustkorb zusammen, aber ich hielt ohnehin längst den Atem an. Wenn die Scheibe zerbrach, würde ich Emma vielleicht mit meinem Körper vor den Scherben schützen können. Nur dass ein Hubschrauber kein Auto ist und eine Kollision völlig andere Folgen hat.
    Trotzdem fühlte es sich an, als machten wir eine Vollbremsung, auch wenn das physikalisch unmöglich war. Jemand flog an mir vorbei – Peterson! – und krachte mit mörderischer Wucht in die gewölbte Scheibe. Ein anderer folgte ihm, fiel zwischen die Sitze und kam dem Piloten bei seinem verzweifelten Rettungsmanöver in die Quere.
    Etwas raste auf uns zu, eine Wand, eine Straße, irgendetwas , und im nächsten Augenblick folgte der Aufschlag.

38.
    Die Hitze jagte an meinen Beinen entlang, erfasste meinen Unterleib und loderte zum Gesicht empor.
    Ich riss die Augen auf, schlug mit den flachen Händen auf meinen Körper, wollte schreien und brachte doch keinen Ton heraus. Ich hörte das Knistern und Fauchen des Feuers, spürte es an meinen Wangen und war sicher, dass mein Haar bereits brannte, dass Nester aus Flammen die Dreads zerkräuselten und jeden Moment meinen Schädel erreichen mussten.
    Alles tat mir weh, jeder Knochen fühlte sich an, als wäre mit einem Knüppel darauf eingeprügelt worden. Aber es gelang mir, den Kopf zu heben und an mir hinabzublicken.
    Zuerst sah ich nur das Feuer, haushoch und so hell, dass der Anblick in den Augen schmerzte. Darüber wirbelten Wolken aus schwarzem Qualm. Es stank nach Treibstoff und brennendem Plastik, dann wie bei einem Barbecue.
    Es gelang mir gerade noch, den Kopf nach links zu drehen, bevor ich Keenes Notration erbrach. Danach wälzte ich mich herum, erstaunt, dass das möglich war, und begriff endlich, dass ich mir zwar das Feuer nicht eingebildet hatte, dass jedoch nicht ich es war, die brannte. Das waren die Männer im Wrack des Hubschraubers. Genaues konnte ich im glutweißen Herzen der Flammen nicht erkennen, nicht einmal ihre Geister, nur hin und wieder die blitzartige Ahnung schwarzer Stockpuppen inmitten des Feuers. Der Rotor war erstarrt, aber nicht zerbrochen. Der Hubschrauber war beim Aufprall nicht zerschellt, der Pilot musste gerade noch eine Bruchlandung zu Wege gebracht haben.
    Emma?
    Ich brachte keinen Ton heraus. Ich hatte zu viel von dem stinkenden Qualm eingeatmet, war durchgeräuchert und wahrscheinlich dioxinverpestet bis in die Haarspitzen.
    Emma!
    Sie lag rechts von mir, bewusstlos, aber ich sah, dass sie atmete. Wir waren etwa fünfzig Meter vom Wrack entfernt, ein ganz schönes Stück, wenn man nicht weiß, wie man es bewältigt hat. Vor allem, wenn man nicht bei Bewusstsein ist. Und möglicherweise zu verletzt, um aus eigener Kraft zu laufen.
    Hitze und Rauch wehten genau zu uns herüber, der Wind blies vom Wasser her in unsere Richtung. Vage konnte ich eine begrünte Promenade erkennen, auf die der Helikopter gestürzt war, nicht weit weg vom Hudson. Ein Stück

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